Persistenz in der Geographie - Bedeutung, Umschreibung, Synonyma
Im allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet Persistenz: Beharrlichkeit, Ausdauer, Hartnäckigkeit, Eigensinn und ist lateinischen Ursprungs
(vgl. STOWASSER, J.M. et al. 1980: Der kleine Stowasser: Lat.-dt. Schulwörterbuch. München, S. 337: "per-severo ... verharren,
(ver)bleiben" und S. 423: "sisto ... bestehen, fortbestehen". Auch "per-sisto" kommt in der Bedeutung "stehenbleiben, verharren" vor).
In der Literatur werden statt des Begriffes der Persistenz häufig synonym die Begriffe "Konsistenz" (CZAJKA 1964, DE VRIES-REILINGH 1968),
"Langlebigkeit" (HOFMEISTER 1969, S. 36), "Kontinuität" (für die "Römerstadt" Köln verwendet HOFMEISTER den Begriff der "Grundrißkontinuität"
(HOFMEISTER 1969, S. 35)), "Dauerhaftigkeit" (KRINGS 1999, S. 133) und "Trägheit" (CURDES, ULRICH 1997, S. 17, die Autoren sprechen davon, dass
die "physische Struktur so langlebig und träge ist") verwendet.
Im ausländischen Schrifttum wird der Begriff der Persistenz beispielsweise im Italienischen mit "permanenza" bzw. "sopravvivenza" (vgl. BIANCHI 1998),
im Englischen mit "persistence" (CONZEN 1988, S. 261), im Französischen mit "persistance" (LAVEDAN 1926a, S. 91) bezeichnet. PFEIL (1972, S. 8)
verweist in Anm. 9 auf P. GEORGE, der die Begriffe "la durée, la permanence" verwendet.
Diese wenigen Ausführungen zum Begriff der Persistenz belegen, dass persistente Erscheinungen immer mit der Komponente Zeit verbunden sind.
In der Regel werden offensichtlich Erscheinungen, die sich in der Zeit nicht verändern, als persistent bezeichnet.
In der Geographie umschreibt Persistenz "das bis in die Gegenwart reichende Nachwirken historisch überkommener Strukturen" (WIRTH 1979, S. 279).
Eine eingehende Diskussion des Begriffs Persistenz und dessen Einführung in die Geographie findet sich in WIRTH (1979, S. 91-100).
Danach ist dieser Begriff als "Konsistenz" durch DE VRIES-REILINGH (1968) in die Sozialgeographie eingeführt worden, nachdem der zu Grunde
liegende Sachverhalt schon von NYSTUEN im Jahre 1963 als "Geschichtlicher Gegensatz" beschrieben und in seiner theoretischen Tragweite erkannt
worden war (NYSTUEN in: BARTELS 1970b, S. 92). "Die grundlegende Bedeutung dieses Konzepts erstreckt sich jedoch nicht nur auf die Spezielle Kulturgeographie."
(WIRTH 1979, S. 91, 92).
Nach diesen Ausführungen mag es so erscheinen, als ob das Konzept der Persistenz erst in den 1960er Jahren über die Sozialgeographie Eingang in die wissenschaftliche
Geographie gefunden hätte. In einer Vielzahl von Arbeiten werden im Zuge der "Einführung" des Begriffes bzw. Konzeptes der Persistenz die Autoren NYSTUEN 1963,
CZAJKA 1964, DE VRIES-REILINGH 1968, WIRTH 1979 genannt, so z.B. bei WIRTH 1979, S. 91. Im LdG, Bd. 3, S. 38 wird Persistenz ebenfalls auf das "Konzept der
Münchner Sozialgeographie" und auf "räumliche Persistenz sozioökonomischer Strukturen" in der Wirtschaftsgeographie reduziert.
KRAUS (1953) stellt in seinem Aufsatz zu den kriegszerstörten Altstädten Duisburg, Essen und Köln eine Tendenz "sich nach dem alten Grundriss und der
früheren wirtschaftlichen Lokalisierung zurückzubilden" (KRAUS 1953, S. 94) fest. Diese "Zurückbildung" beschreibt nichts anderes als das Konzept der Persistenz.
KRAUS weist zudem auf eine Arbeit von HARTKE (vgl. "W. Hartke, Kulturgeographische Wandlungen in Nordostfrankreich nach dem Weltkrieg, 1932", zitiert in KRAUS 1953,
S. 94.) aus dem Jahre 1932 hin, in der dieser ein ähnliches Phänomen am Beispiel der Zerstörung von Städten im Ersten Weltkrieg beschreibt. Beide Beispiele belegen,
dass die Einführung und Beschreibung des Konzeptes der Persistenz in die wissenschaftliche Geographie, speziell in die Stadtgeographie schon vor 1963 erfolgte.
Das Konzept der Persistenz wurde bislang auf eine Vielzahl von Fragestellungen in allen Teilbereichen der Geographie angewandt und umfasst ein breites Spektrum an
Bedeutungen und Anwendungsmöglichkeiten. Forschungen zum "raum-zeitlichen Wandel" haben sich jedoch vorrangig als Betätigungsfeld in der Kultur- und der Wirtschafts-
und Sozialgeographie herausgebildet. Z.B. SCHAMP (1981) zur Persistenz der Industrie und LANGE (1989) zur Standortpersistenz von Bürobetrieben. Zur Diskussion des
Begriffes der "Kulturgeographie" versus "Anthropogeographie" versus "Humangeographie" vgl. GEBHARDT, BARTHELT 2003, KLÜTER 2005, HEINRITZ 2005. Der Bereich der
Geoarchäologie greift dieses Konzept neuerdings ebenfalls auf.
Innerhalb der Stadtgeographie haben sich BOBEK & LICHTENBERGER (1966), VRIES-REILINGH, H.D. DE 1968, WIRTH 1976, 1979 (insb. S. 91-100), SCHAFFER (1985),
TIBORSKI (1987), CONZEN (1988) und PETERS (1999) mit Fragen zur Persistenz beschäftigt.
Fragestellungen zum "Prinzip der historischen Persistenz" (HEINEBERG 1983, S. 30) waren für die Forschungen von P. SCHÖLLER ein wichtiger Aspekt. Hier wird insb.
die Frage nach der Kontinuität traditioneller Standortgefüge gestellt. In der Stadt Regensburg hat beispielsweise KLEIN Standorte von Betrieben untersucht und
stellt "persistente" Betriebsformen auf Abb. 8 als Symbol auf einer Karte dar (KLEIN 1997, S. 503). LICHTENBERGER (1986, S. 84) stellt fest, "daß räumliche
Disparitätsprobleme immer auf dem Bezug der Gesellschaft zur räumlichen Struktur beruhen, während Persistenzkonzepte primär aufgrund der Situation der
physischen Struktur von Städten definiert werden" (Leicht abgewandelt in LICHTENBERGER (1998, S.88): "daß räumliche Disparitätskonzepte immer einen Bezug der
Gesellschaft zur physischen Struktur benötigen, während sich das Konzept der Persistenz primär auf die Situation der physischen Struktur von Städten bezieht").
Den Stadtgrundriss betreffend hat LAVEDAN (1926a, S. 91) das Gesetz von der Persistenz des Stadtgrundrisses ("LOI DE PERSISTANCE DU PLAN") formuliert und widmet der
Beschreibung dieser Gesetzmäßigkeit ein ganzes Kapitel, vgl. "CHAPITRE II. UTILISATION DES DOCUMENTS GRAPHIQUES. LOI DE PERSISTANCE DU PLAN" (LAVEDAN 1926a, S. 91-105).
HOFMEISTER stellt die "Langlebigkeit von Grund- und Aufrisselementen" (HOFMEISTER 1969, S. 36) fest. Der Landeshistoriker A. SCHMID (1995) geht in seiner umfangreichen
Schrift unter anderem auf die Persistenz des Straßensystems in Regensburg ein, die er als "Kontinuität" bezeichnet. KRINGS bezeichnet Persistenz im Rahmen des
römischen Straßensystems als "Dauerhaftigkeit" (KRINGS 1999, S.133), der Begriff "Trägheit" in Zusammenhang mit Strukturen im Stadtgrundriss wird bei
CURDES, ULRICH (1997, S. 17) genannt.
(Text verändert nach SCHÜTZ 2008, wo sich auch die zitierte Literatur findet).
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