Römische Archäologie I - Republik - erste Vorlesung


Dr. Chrystina Häuber, Universität Tübingen

VORLESUNG SS 2010

Römische Archäologie I

(Republik)


Di, 14.00-16.00 Uhr


Am Beispiel der Stadt Rom und den dort noch vorhandenen, beziehungsweise präzise lokalisierbaren Bauten und Landschaftselementen soll die Epoche der Republik nachgezeichnet werden. Während dieses Zeitraums erobert Rom die italische Halbinsel und die Länder rund um das Mittelmeer, ein Prozess, der auch in der Stadt selbst in allen Bereichen des Lebens zu großen Veränderungen führt - am Ende wird sie eine Millionenstadt sein und die gewaltigen innen- und außenpolitischen Umwälzungen haben letztendlich die Entstehung des Prinzipats zur Folge. Wir werden diesen Prozess an ausgewählten archäologischen Denkmälern nachvollziehen, etwas über die beteiligten Protagonisten erfahren und uns überdies folgenden Themen widmen: die Stadt Rom zu Beginn der Republik: römische Kultur und Religion, die Bevölkerung, Versorgung mit Lebensmitteln, Leben und Sterben in Rom, das etruskische Umfeld, Wasserver- und entsorgung, öffentliche Bauten, Tempel. Sodann werden wir anhand von Bauten und anderen archäologischen Denkmälern versuchen nachzuvollziehen, welche Folgen die schrittweise Eroberung der italischen Halbinsel, sowie der griechischen Welt auf alle diese Bereiche des Lebens in Rom gehabt hat.


10 Sitzungen:

13., 20., 27. April, [4., 11. wegen Erkrankung ausgefallen], 18. Mai, (25. Mai vorlesungsfrei) 1., 8., 15.. 22., 29. Juni, 6. Juli (13. Juli Prüfung).





Dr. Chrystina Häuber


VORLESUNG SS 2010

Römische Archäologie I

(Republik)


1. Vorlesungssitzung

Di, 13. April 2010




Sehr geehrte Damen und Herren,


willkommen zur 1. Vorlesungssitzung !


Bitte tragen Sie sich in die umlaufenden Listen ein, ich bitte außerdem diejenigen, die im Rahmen ihres BA-Studiums eine Prüfung zu den Inhalten der Vorlesung absolvieren wollen, nachher zu mir nach vorne zu kommen.

Zur Vorlesung gibt es wie üblich einen Apparat in der Bibliothek sowie einen Ordner, in dem Sie die verwendete Literatur aufgelistet finden, nebst einer Liste mit allen verwendeten Dias, die ich im Laufe der Vorlesung entsprechend ergänzen werde. Aus diesem Grunde werde ich zu dieser Vorlesung keine Tafelanschriebe vornehmen, wie ich dies im Zusammenhang meiner 1. Vorlesung hier in Tübingen getan hatte, was jedoch keinen allgemeinen Anklang gefunden hat.


Für mich ist diese Vorlesung, analog zu der im Sommersemester 2009 zu `Rom in der Kaiserzeit´ eine Premiere. Herr Prof. Schäfer hat mich gefragt, ob ich auch diese Vorlesung halten möchte, und da ich über Rom forsche, habe ich gern zugesagt. Gegenwärtig bin ich am hiesigen Institut im eigenen Projekt angestellt, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert wird - diese Vorlesung gehört allerdings nicht zu meinen Dienstobliegenheiten, sondern ich bereite sie in meiner Freizeit vor. Dabei unterstützt mich wie schon in der vorherigen Vorlesung ein zuverlässiger `Mitarbeiter´, der nicht genannt werden möchte [alle lachen].


Der Fokus der gesamten Vorlesung liegt auf der Stadt Rom, ihren Bauten und deren Ausstattung, sowie jenen Personen, die sie errichten ließen. Nach einer Einführung zur Stadt Rom als Ganzes, gehen wir dabei chronologisch so vor, dass wir mit den Anfängen der Republik und mit dem sakralen Zentrum Roms beginnen, dem Kapitolshügel, im Besonderen mit dem Tempel des Iuppiter Optimus Maximus. Dieser war bereits so gut wie fertiggestellt, als die römische Republik begann, weshalb wir uns in dieser Vorlesung zumindest so weit in den Bereich der davor liegenden Königszeit zurückbewegen, dass wir die Besonderheit dieses Tempelbaus begreifen können. Im Übrigen stammt noch sehr viel mehr aus der Königszeit, was im Laufe der Vorlesung gleichfalls zur Sprache kommen soll.


ZUNÄCHST MÖCHTE ICH ABER AUF DIE LITERATUR- UND DIALISTE EINGEHEN


In der heutigen Sitzung geht es also um die Anfänge der römischen Republik, beziehungsweise darum, warum die Römer ihren letzten König Tarquinius Superbus verjagt haben, um sich fortan selbst zu regieren. Dies soll sich im Jahre 510/ 509 v. Chr. zugetragen haben. Das heißt, am Ende des 6. Jahrhunderts v. Chr., einem Zeitraum, von dem wir wissen, dass auch die Athener ihr Herrscherhaus, die Peisistratiden, verjagt und sich selbst die Regierungsform der Demokratie gegeben haben.


Für uns heute ist es sehr schwierig, einen Zugang zu dieser frühen Periode Roms zu finden, da zeitgenössische Berichte zu diesen Vorgängen fehlen und spätere Autoren, die sich diesbezüglich äußern, zunächst einmal kritisch zu betrachten sind, ehe man ihre Aussagen verwerten kann. Glücklicherweise gibt es jedoch auch archäologische Denkmäler aus der entsprechenden Zeit, die wir betrachten werden, um zumindest eine gewisse Vorstellung der damaligen Zeit und Lebensumstände zu gewinnen.

Rom ist zu dem Zeitpunkt, an dem wir unsere Beschäftigung mit diesem Ort beginnen wollen, ein Stadtstaat.


2. Dia

A.-M. Wittke et al. 2007; dies. 2010

S. 66-67, Karte: Sprachen im alten Italien vor der Ausbreitung des Lateins


Ehe die Stadt Rom sich als Stadtstaat anschicken sollte, die italische Halbinsel - Italien - zu erobern, wurde Latein nur in Rom und Latium gesprochen. Es wird davon ausgegangen, so der Text zu dieser Karte, dass die Latiner und andere später auf der italischen Halbinsel lebende Volksgruppen von außerhalb Italiens im 2. und 1. Jahrtausend v. Chr. eingewandert seien - beweisen lässt sich das allerdings nicht, weil entsprechende Schriftzeugnisse fehlen.


Ursprünglich sollen auf der italischen Halbinsel ca. 40 verschiedene Sprachen und Dialekte gesprochen worden sein. Das heißt, wir müssen demnach auch von einer enormen Vielfalt der entsprechenden Kulturen ausgehen, wobei die Karte zeigt, dass das Siedlungsgebiet der einzelnen Gruppen nicht besonders groß gewesen ist - wenn man einmal die Etrusker ausnimmt. Unmittelbare Nachbarn Roms, sind, wie die Karte wiedergibt, Sabiner, Marser, Aequer und vor allem die Etrusker. Die Tatsache, dass der Stadtstaat Rom in der Lage sein sollte, alle diese vielen unterschiedlichsten Kultureinheiten seinem eigenen Herrschaftsgebiet einzuverleiben, beweist nicht nur, dass die Römer militärisch überlegen waren - man muss sich bei einer Betrachtung dieser Vorgänge natürlich nicht nur fragen, wie ihnen das gelungen ist, sondern auch, wie es möglich war, diese Herrschaft zu stabilisieren. Von der Motivation, die die Römer zu dieser Eroberungspolitik angetrieben hat, wird auch noch die Rede sein.


Joan R. Mertens, damals Leiterin der Abteilung Griechische und Römische Kunst des Metropolitan Museum of Art in New York, hat bereits im Jahre 1987 einen Teil des soeben angesprochenen Phänomens auf die folgende Formel gebracht: "Rome demonstrated what would always be its particular strengths: conquest and integration"1. `Rom zeigte, was immer seine besondere Stärke sein sollte: Eroberung und Integration´. Was darunter zu verstehen ist, und wie das Ganze funktioniert hat, war auch in Europa in den seither vergangenen Jahrzehnten Gegenstand zahlreicher Forschungen, die sich mit dem Themenkreis der sog. Romanisierung beschäftigt haben. Voraussetzung dieser von den Römern betriebenen Integrationspolitik, die von den sog. Eliten der eroberten Völker und Staatsgebilde fleißig, und zum eigenen Vorteil unterstützt werden sollte, war natürlich die vorausgehende Zerstörung ebendieser ehemals freien Staatsgebilde seitens der Römer. Wobei beide Fähigkeiten, die des militärischen Erfolges bei einem Kriegszug, und die der politischen und sozialen Integration in der anschließenden Friedenszeit nun wahrlich nicht selbstverständlich bei derselben Person, oder gar bei größeren Gruppen von Personen anzutreffen sind.


Ich hatte mir ohnehin vorgenommen, als roten Faden für diese Vorlesung die Eroberungspolitik Roms zu wählen, es gibt jedoch in Rom zur Stunde im Konservatorenpalast eine Ausstellung zu diesem Thema, deren Besuch ich Ihnen nur `wärmstens´ empfehlen kann. Den Katalog zu dieser Ausstellung finden Sie demnächst im Apparat zur Vorlesung, sein Titel lautet: I giorni di Roma: L'età della conquista, `Die Tage Roms: das Zeitalter der Eroberung´. Alles, was man zu diesem Zeitraum wissen sollte, finden Sie hier gut erklärt und anhand von archäologischen Denkmälern illustriert2. Sie werden in den folgenden Sitzungen der Vorlesung bemerken, dass ich viele Beispiele aus diesem Katalog verwenden werde.


Aber kehren wir noch einmal zu den vielen verschiedenen Volksgruppen zurück, die ursprünglich gemeinsam, aber keineswegs einträchtig die Italische Halbinsel bewohnt haben. Natürlich unterschieden sie sich auch in ihren Sitten und Gebräuchen, so wird davon ausgegangen, dass sowohl die Etrusker als auch die Latiner sich dadurch auszeichneten, ihre Toten einzuäschern (Brandbestattung), anstatt Körperbestattungen vorzunehmen3, ein Bestattungsbrauch (die Körperbestattung), der wiederum die Umbro-Sabeller ausgezeichnet hat. Wie wir später sehen werden, haben schließlich auch die Römer den Brauch der Körperbestattung übernommen - nach diesem Volksstamm, dessen Mitglieder umbro-sabellisch gesprochen haben, ist das heutige Umbrien benannt.


Das Wort übernommen ist an meinem letzten Satz die wichtigste Aussage: die Römer waren unerreichte Meister in der `Übernahme´ von Know-how, Sitten und Gebräuchen anderer Gruppen. Auch heutzutage würden Privatleute und erst recht Wirtschaftsunternehmen liebend gern das Know-how anderer verwerten, was ja den nicht unerheblichen Vorteil hat, die entsprechenden Betriebskosten zu sparen, welche der eigene Erwerb dieser Kenntnisse bzw. die eigene Entwicklung vergleichbarer Produkte bis zur Qualität einer verhandelbaren Ware kosten würde. Moderne Staaten versuchen sich deshalb gegen Plagiate, wie man so etwas nennt, zu schützen. Nicht so in der Antike, in der es diesen Gedankengang gar nicht gab, und ebensowenig eine entsprechende Begrifflichkeit bzw. Gesetze. Hier war allen Beteiligten klar, dass der militärische Sieger über das besiegte Volk nach Belieben verfügen konnte. Andererseits war aus der Rückschau auf die dann folgenden Veränderungen in der eigenen Gesellschaft auch schon sämtlichen antiken Beobachtern klar, dass die Sieger, wenn man einmal den militärisch-politischen Bereich ausklammert, nicht selten von den Besiegten kulturell `erobert´ worden sind.


Ich werde Ihnen in dieser Vorlesung nicht über alle diese Gruppen, welche uns dieses Karte zeigt, etwas berichten, werde aber auf jeden Fall auf die Etrusker eingehen. Diejenigen unter Ihnen, welche in diesem Semester das Proseminar zu Pompeji besuchen, werden z.B. etwas über die Samniten und Osker erfahren.


Interessanterweise waren sich weder die antiken Autoren einig, noch können moderne Spezialisten zweifelsfrei klären, ob Rom eine etruskische Stadt gewesen ist oder nicht. Im Text zur folgenden Karte wird als Selbstverständlichkeit behauptet, dass Rom eine etruskische Stadt gewesen sei. Wir werden im Laufe der Vorlesung erfahren, wie man die einzelnen Forschungsmeinungen zu dieser Frage begründen kann. Eine mögliche Antwort können wir anhand dieses Kartenbildes schon jetzt selbst formulieren: wenn man eine Gruppierung von Leuten anhand der Sprache vornimmt, dann waren die Etrusker Etrusker, weil sie Etruskisch sprachen, und die Römer waren offenbar keine Etrusker, weil sie eben nicht Etruskisch, sondern Latein sprachen.


3. Dia

A.-M. Wittke et al. 2007; dies. 2010

S. 74-75, Karte: Das etruskische Kernland


Von allen Gruppen, welche auf der vorigen Karte verzeichnet sind, haben nur die Etrusker Fernhandel betrieben. Außerdem haben sie bereits in der Antike das Interesse von Autoren anderer Völker in sehr viel stärkerem Maße geweckt als die anderen Volksgruppen, welche gleichzeitig mit ihnen die italische Halbinsel besiedelt haben. Die Etrusker sollen nach der Vorstellung Herodots (1, 94), einem griechischen Autor des 5. Jhs. v. Chr., aus Lydien4 in Kleinasien eingewandert sein, viele moderne Forscher glauben dies auch heute noch, andere verteidigen vehement die Vorstellung, die Etrusker stammten von der italischen Halbinsel selbst. Wie dieser Karte zu entnehmen ist, die das Hauptsiedlungsgebiet der Etrusker zeigt, lebten sie zwischen den Flüssen Tiber und Arno. Das von den Etruskern bewohnte Gebiet war von Natur aus fruchtbar, und sie wurden überdies auf Grund ihrer zahlreichen Bodenschätze sehr reich. Hierzu zählten vor allem verschiedene Metalle (besonders Eisen und Kupfer), die sie in den Bergen nahe der Tyrrhenischen Küste gefördert, und meisterlich verarbeitet haben. Dies wiederum ermöglichte es den Etruskern, mit den Phönikern und Griechen Handelsbeziehungen anzuknüpfen5. Das Tyrrhenische Meer und die Landschaft, die gegenwärtig Toskana heißt, sind nach ihnen benannt, denn die Griechen nannten dieses Volk Tyrrhenoi und die Römer Etrusci (Tusci), während sich die Etrusker selbst Rasna (Rasenna) nannten.


Die etruskische Sprache wurde im sog. etruskischen Alphabet geschrieben und ist aus über 10.000 Inschriften bekannt, Bilinguen (zweisprachige Texte), das heißt etruskische Texte, zusammen mit einer exakten Übersetzung in bereits besser bekannte antike Sprachen, existieren nicht in größerem Umfang, weshalb der Sinn der längeren etruskischen Texte leider noch nicht verstanden wird. Der Abschluss der sog. Ethnogenese6 - das heißt die Konstituierung der Etrusker als Volk - wird im Text zu dieser Karte im 9. Jh. v. Chr. angenommen. Etruskische Sprachzeugnisse gibt es seit dem 8. Jh. v. Chr., und man weiß, dass es, wie im griechisch sprechenden süditalischen Raum, im 7. / 6. Jh. v. Chr. sogenannte Tyrannen in Etrurien gegeben hat, das heißt Alleinherrscher, die aus Adelsfamilien stammten und zusammen mit ihrem Clan regiert haben. Man weiß auch, dass in dieser Zeit in Etrurien städtische Zentren entstanden, welche auf dieser Karte eingezeichnet sind, praktischerweise sind diese Städte mit den verschiedenen Namen benannt, welche diese Orte in der Antike getragen haben - Etruskisch, und manchmal Griechisch und Latein.


Früher ging man davon aus, dass die 12 bedeutendsten Etruskerstädte einen religiös7 oder politisch begründeten Städtebund gebildet hätten, inzwischen wird dies von einigen Forschern in Zweifel gezogen. Die Menschen innerhalb dieses großen Siedlungsgebietes haben nun keineswegs dieselbe etruskische Sprache geschrieben, und vermutlich ebensowenig dieselbe Sprache gesprochen. In der Epoche 6.-4. Jh. v. Chr. wird die größte Blüte der etruskischen Kultur angenommen, und man weiß, dass es bei den Etruskern eine reiche Überlieferung an literarischen Texten gab. Diese waren aber ausnahmslos auf vergängliches Material geschrieben, weshalb zwar noch in der Antike Fachleute, die diese Sprache lesen und verstehen konnten, mit diesen Texten gearbeitet haben - z. B. der römische Kaiser Claudius - sich aber leider kein einziger dieser Texte erhalten hat.


Sie sehen auf der Karte am Fluß Arno die heutigen Städte Florenz und Pisa als Etruskerstädte gekennzeichnet, deutlich wird auch, dass die am Tiber gelegene Stadt Rom bereits außerhalb des Kerngebietes der Etrusker lag. Rom grenzte aber unmittelbar an das Herrschaftsgebiet der Etruskerstadt Veji - die Grenze zwischen Rom und seinem Umland einerseits, und Veji und seinem Umland andererseits war der Tiber.


Die bedeutendste etruskische Stadt war Tarquinia, das nicht weit vom Mittelmeer entfernt lag und 3 Häfen besaß. Ferner ist auf dieser Karte die Etruskerstadt Arezzo eingetragen, die den heute bekanntesten Etrusker hervorbringen sollte: Gaius (Cilnius) Maecenas. Dieser Mann war der kluge und superreiche Freund des späteren Kaisers Augustus, der zu seinem bedeutendsten politischen Berater aufstieg. Bekannt wurde Maecenas durch seine Förderung von Literaten, was dazu geführt hat, mit seinem Namen in vielen Sprachen Kunst- und Kulturförderung zu bezeichnen, im Deutschen sprechen wir von `Mäzenatentum´. Der römische Vorname des Maecenas, Gaius, zeigt an, dass er bereits in Rom aufgewachsen war, der Gentilname Cilnius, den einige moderne Forscher als seinen Familiennamen ansehen, ist etruskisch, der volle Name dieses Mannes war aber, wie die Grabinschrift des offenbar von ihm selbst für seine Freigelassenen gestifteten Columbariums, ihrer Grabstätte, beweist, `Gaius Maecenas´8. Die Familie der Cilnii, der seine Mutter angehörte, hatte zeitweilig in der Stadt Arezzo geherrscht, wobei etruskischen Herrschern nicht nur säkulare Souveräne waren, sondern gleichzeitig das höchste Priesteramt innehatten. Diese Familie trieb Handel mit allen anderen etruskischen Zentren und Inschriften zeigen, dass sie eine etrurienweite Heiratspolitik betrieb. Auch die Familie von Maecenas' Vater gehörte zu den führenden Adelsfamilien der Etruskerstadt Arezzo. Der Reichtum dieser Familien gründete sich u.a. auch auf ihren bedeutenden Grundbesitz in Etrurien.


Bereits im 3. Jh. v. Chr. hatten die Vorfahren des Gaius Maecenas in Arezzo ihre Herrscherposition verloren, wie überhaupt bereits im 4. Jh. v. Chr. Demokratisierungstendenzen zur politischen Umgestaltung der einzelnen etruskischen Stadtstaaten geführt hatten. Am Schicksal der Familie des Gaius Maecenas lässt sich aufzeigen, welchen Einfluss der im selben Zeitraum aufsteigende Stadtstaat Rom auf Etrurien ausgeübt hat. Beginnend mit der Etruskerstadt Veji, die nach langem Ringen im Jahre 396 v. Chr. von den Römern endgültig besiegt worden war, gerieten bis zum Ende des 1. Jhs. v. Chr. alle ehemaligen Etruskerstädte in die Gewalt Roms. Natürlich haben nicht alle männlichen Etrusker in waffenfähigem Alter geduldig zu Hause darauf gewartet, dass auch ihre Stadt von den Römern belagert und schließlich eingenommen werden würde. Rom hatte in diesem Zeitraum einen enormen Zulauf von Menschen aus dem gesamten Mittelmeergebiet.


Die Familie des Vaters des Maecenas, der Lucius Maecenas9 hieß, war bereits seit Generationen in Rom ansässig gewesen, als Lucius Maecenas in Rom in den Ritterstand aufgenommen wurde - dem Ritterstand sollte auch der berühmte Gaius Maecenas (aus Überzeugung) Zeit seines Lebens angehören. Gaius Maecenas schlug sich im Jahre 42 v. Chr. auf die Seite Octavians, um fortan mit seinem kultivierten und luxuriösen Lebensstil etruskisches Wesen und ebensolche Lebensart berühmt zu machen. Seinen Reichtum verdankte er dabei nicht etwa ausschließlich Octavian/ Augustus, wie man lange geglaubt hat, sondern in großem Umfang seiner eigenen Familie10. Immerhin schaffte es Maecenas, mit seinem `Dichterkreis´, zu denen Vergil, Horaz, Properz und viele andere zählten, den bedeutendsten Dichterkreis lateinischer Sprache aus der Taufe zu heben - dabei hatte es in Rom, wie wir noch hören werden, keineswegs an früheren derartigen Versuchen von Seiten einflußreicher und gleichfalls sehr vermögender Vertreter des stadtrömischen Adels gefehlt. Auch das Verhalten des Maecenas seiner Ehefrau gegenüber, die er sogar in Staatsgeheimnisse einweihte, erinnert mehr an `typisch etruskisches´, als an `typisch römisches´ Verhalten. Wenn man diese Besonderheiten des Römers Maecenas - der er zu diesem Zeitpunkt ja bereits war - unter der Perspektive betrachtet, dass seine Vorfahren etruskische Herrscher gewesen sind, die sich vermutlich genauso verhalten haben wie er, wird einem etruskische Lebensart mit einem Schlag sehr viel deutlicher 11 .


Um derartige Klischees - `typisch etruskische´ und `typisch römische´ Lebensart - soll es in dieser ersten Vorlesungsstunde gehen.


4. Dia

A.-M. Wittke et al. 2007; dies. 2010

S. 92-93, Karte: Die ältere und die jüngere Tyrannis


Aber soweit sind wir noch nicht ganz. Diese Karte zeigt Ihnen das gesamte Mittelmeergebiet, und darin eingetragen jene Orte, an denen in archaischer und klassischer Zeit sog. Tyrannen geherrscht haben. Uns interessiert an dieser Karte nur Korinth auf die Peloponnes in Griechenland, Tarquinia in Etrurien und die Stadt Rom.


Und zwar deshalb, weil aus Korinth der Mann stammte, der nach Tarquinia ins Exil ging, und dessen Sohn in Rom König werden sollte. Das Ganze hört sich an wie ein Märchen oder wie eine Geschichte aus dem 19. Jahrhundert bis in die unmittelbare Gegenwart, von Einwanderern, welche in ihrem Gastland zum höchsten Staatsamt aufgestiegen sind. Allerdings wohl kaum bereits in der zweiten Generation. Nicht so in dem Fall, von dem nun die Rede sein soll. Leider gibt es keine antiken Bildnisse von diesem Mann und seinem Sprößling, wobei sog. ikonographische, das heißt ähnliche Bildnisse in dieser Zeit, dem 7. Jh. v. Chr., gar nicht zu erwarten sind. Selbst klassizistische Künstler haben sich dieses Themas nicht bemächtigt, und Hollywood ebensowenig. Eigentlich schade.


Es geht um den Bakchiaden Demaratos, der aus seinem heimatlichen Korinth auswandern musste, in die Etruskerstadt Tarquinia ging, wo seine Nachfahren den Namen `Tarquinier´ annahmen, sowie um seinen Sohn, der als König von Rom Tarquinius Priscus genannt werden sollte (`der 1. Tarquinier´, wir würden heute vielleicht eher `Tarquinius I.´ sagen). Diese Benennung erfolgte wohl im Nachhinein, um ihn von seinem Sohn zu unterscheiden, der als König von Rom Tarquinius Superbus (`der hochmütige Tarquinius´) genannt worden ist, und den die Römer im Jahre 509 v. Chr. verjagen sollten.


Vertreter des Adelsgeschlechtes der Bakchiaden hatten nach antiken Schriftquellen bis zum Jahre 748 v. Chr. die Königswürde in der Stadt Korinth inne. In diesem Jahre wurde der letzte dieser Könige von seinen eigenen Verwandten ermordet, mit dem Ziel, dem Geschlecht in seiner Gesamtheit die Herrschaft zu verschaffen. Dies gelang ihnen auch, indem sie aus ihrer Mitte ein jährlich wechselndes Mitglied wählten, welches den Titel `Basileus´ (König) trug. Politisch gesehen, handelt es sich bei dieser Herrschaftsform um eine exklusive Oligarchie, `exklusiv´ deshalb, weil nur Mitglieder dieses Clans als `Basileus´ wählbar waren. Unter der Herrschaft der Bakchiaden erlebte Korinth als Handelsstadt einen steilen Aufstieg, das Kunstgewerbe blühte auf, dessen Produkte wir heute der protokorinthischen Stilphase zurechnen, was uns noch beschäftigen wird. Da sich die Bakchiaden aber beim Volk von Korinth verhaßt gemacht hatten, und überdies bei der Seeschlacht von Korkyra (Korfu) um 660 v. Chr. eine Niederlage hatten hinnehmen müssen, konnte ein Mann namens Kypselos im Jahre 657 v. Chr. die Herrschaft in Korinth an sich reißen, der dann 30 Jahre lang in der Stadt als sog. Tyrann herrschen sollte; bezüglich des Antritts seiner Herrschaft besteht allerdings Uneinigkeit.

Diejenigen unter Ihnen, die im Jahre 2008 an der Griechenlandexkursion teilgenommen haben, werden sich vielleicht noch an die bedeutenden Weihgeschenke erinnern, die der Tyrann Kypselos gestiftet hatte. In Delphi wurde ihm der Bau des korinthischen Schatzhauses zugeschrieben, und im Heratempel von Olympia zeigte man noch in der Kaiserzeit den Besuchern die sog. Kypseloslade, die der griechische Autor Pausanias bewundert, und sehr detailliert beschrieben hat. Hierbei handelte es sich um einen prunkvoll verzierten Kasten aus Zedernholz, der von Kypselos selbst oder von den Kypseliden (seinen Nachfahren) als Weihgeschenk gestiftet worden war.


Die Folge dieses Umsturzes im Jahre 657 v. Chr. in Korinth ist, dass ein Mitglied des gestürzten Clans der Bakchiaden, Demaratos, auswandern muss. Antike Schriftquellen versichern, dass Demaratos ein sehr reicher Mann gewesen sei, eine Behauptung, die durch neueste Forschungen bestätigt worden ist. Er hatte diesen Reichtum durch Fernhandel erworben, zum Beispiel mit der Etruskerstadt Tarquinia. Dorthin wanderte er nun aus. Zu seinem Gefolge, das Demaratos aus Korinth mitnahm, gehörten zahlreiche Künstler, weshalb er in Etrurien maßgeblich den griechischen Einfluß auf die etruskische Kultur fördern sollte. In Tarquinia wurde Demaratos Vater des späteren Königs von Rom, Tarquinius Priscus. All dies werden wir uns später im Detail ansehen. Ich habe Ihnen die entsprechenden Publikationen in der Literaturliste genannt, der bedeutende italienische Archäologe Fausto Zevi12 hat einen Aufsatz mit dem provokativen Titel geschrieben - ich übersetze mal ins Deutsche - "Demaratos und die `korinthischen´ Könige von Rom", womit Zevi die Herrschaft der Tarquinier meint. Die italienische Archäologin Anna Mura Sommella13 mit ihrem Aufsatz aus dem Jahre 2000 und der englische Althistoriker T.P. Wiseman14 mit verschiedenen Beiträgen in seinem Buch "Unwritten Rome" 2008, die ich Ihnen in der Literaturliste einzeln aufgeführt habe, gehen detailliert auf die Folgen von Zevis neuen Erkenntnissen ein.


Zunächst machen wir aber `mal einen großen Sprung von Korinth nach Rom, um uns die zukünftige Wirkungsstätte des Sohnes des Demaratus, Lucumo anzusehen, der als 5. römischer König Tarquinius Priscus heißen sollte. Das etruskische Wort "Lucumo" heißt `der Leuchtende´ und war eine Amtsbezeichnung, in Rom nahm Tarquinius Priscus den daraus abgeleiteten Vornamen "Lucius" an.


5. Dia

LTUR III (1995) Abb. 190, Karte der antiken Stadt Rom: B. BRIZZI (Computer Graphik: Studio Verzilli), Servianische Stadtmauer und Aurelianische Stadtmauer.


Diese Karte zeigt die antike Stadt Rom mit ihren beiden Stadtmauern, die zu keinem Zeitpunkt ihrer Lebenszeit gleichzeitig als kompletter Mauerring existiert haben - die innere Stadtmauer ist die sogenannte Servianische Stadtmauer15 die der Nachfolger des Tarquinius Priscus, König Servius Tullius, im 6. Jh. v. Chr. erbaut haben soll, nach der Tradition herrschte er von 578-534 v. Chr.16. Von dieser Stadtmauer sind im 19. und 20. Jahrhundert geringe Teile ausgegraben worden. Sie wurde in späteren Jahrhunderten mehrfach erneuert, was uns noch beschäftigen wird. Die Aurelianische Stadtmauer, die ebenfalls auf dieser Karte erscheint, und die ein sehr viel größeres Stadtgebiet einschließt, steht zum großen Teil noch aufrecht. Sie sehen deutlich, dass der größte Teil der antiken Stadt Rom auf dem linken Tiberufer liegt, der Tiber fließt von N nach S durch dieses Kartenblatt. Wie wir vorhin sahen, hat diese Entwicklungsrichtung der Stadt einen politischen Grund: das gegenüberliegende rechte Tiberufer gehörte in der Frühzeit der Stadt Rom zur Etruskerstadt Veji. Die beiden Könige Tarquinius Priscus und Tarquinius Superbus bescherten der Stadt Rom den bedeutendsten Staatskult, der bis zum Ende der Antike Bestand haben sollte: den Tempel des Iuppiter Optimus Maximus. Der erste Tarquinier-König erbaute lediglich das Fundament des Tempels - aber das war bereits eine gigantische Leistung wie wir noch sehen werden - und der zweite Tarquinier-König den eigentlichen Tempelbau.


6. Dia

F. SCAGNETTI, G. GRANDE 1979, Kartenausschnitt: "VRBS ANTIQVISSIMA", mit der Servianischen Stadtmauer


Auf diesem Kartenbild wird das eben Gesagte noch deutlicher: die Stadt Rom liegt im Zeitraum der Republik, der uns in dieser Vorlesung interessiert, ausschließlich auf dem linken Tiberufer. Die Servianische Stadtmauer ist mit ca. 11 km Länge die größte derartige Anlage dieser Zeit auf der italischen Halbinsel, sie umschloß eine Fläche von 426 Hektar17 und hatte 36 Tore, zumindest sind 36 Namen von Stadttoren überliefert, und die Forschung der letzten Jahre hat intensiv darum gestritten, ob man eine derartig große Stadtmauer im 6. Jh. v. Chr. für möglich halten soll. Persönlich gehe ich davon aus, dass der Verlauf der Stadtmauer des 6. Jhs. v. Chr. ungefähr derjenige des 4. Jhs. v. Chr. war, der besser erhalten blieb und hier wiedergegeben ist, aber hier in Tübingen gibt es auch Forscher, die diese Behauptung der italienischen Archäologen heftig kritisiert haben18. In der Ausbauphase des 4. Jhs. v. Chr. hatte diese Stadtmauer eine Höhe von 10 m und war 4 m mächtig.


Der Aufstieg Roms war neben den formidablen Eigenschaften seiner Bewohner - wie haben es schon gehört - sie waren glänzende militärische Eroberer, und es gelang ihnen anschließend, die annektierten Gebiete zu einem gut funktionierenden politischen Ganzen umzuformen - eine Folge des klug gewählten Standortes ihrer Stadt. Rom liegt am Tiber, der in der Antike große Bedeutung als Wasserstraße besaß, und zwar genau da, wo es in der Nähe der Tiberinsel die einzige Furt am Unterlauf des Flusses gab, das heißt, wo eine Reihe von Fernstraßen den Fluß überquerten. Hinzu kam, dass der Kapitolshügel ganz nah am Tiber liegt, weshalb seine Bewohner diesen Verkehrsknotenpunkt mühelos kontrollieren konnten. Obendrein gab es am Fuße des Kapitolshügels, wie überall am linken Tiberufer, reichlich fließende Süßwasserquellen.


7. Text-Dia

Königszeit (bis 510 / 509 v. Chr.)

Republik (510 / 509 v. Chr. - 30 v. Chr.)

Prinzipat / weströmisches Kaiserreich

(30 v. Chr. - 476 n. Chr.)


Diese Folie habe ich Ihnen im SS 2009 im Zusammenhang meiner Vorlesung zur römischen Kaiserzeit bereits einmal gezeigt. Bei den hier genannten Geschichtsdaten handelt es sich um Fakten, die Sie sich merken sollten. Wie bereits gesagt, wird es in der heutigen Vorlesungssitzung hauptsächlich um den Übergang von der Königszeit zur Republik gehen. Wie schon gesagt, besitzen wir keine zeitgenössischen historiographischen lateinischen Texte zu diesem Thema. Die Tatsache, dass wesentlich später diese Vorgänge von zahlreichen Autoren immer wieder und sehr detailreich geschildert worden sind, haben moderne Historiker überzeugend damit erklärt, dass die Geschichte der Königszeit während der Republik von zahlreichen Theaterstücken ganz unterschiedlicher Gattungen thematisiert worden ist. Kennzeichnend für diese Art der Überlieferung ist, dass die einzelnen Geschehnisse, die in der Stadt Rom stattgefunden hatten, von den Zeitgenossen mit ganz bestimmten Örtlichkeiten verbunden wurden. Diese Gewohnheit der Römer, ihre Geschichte in Form von Geschichten zu erzählen, erweist sich nun von größter Bedeutung für die moderne Erforschung der antiken Topographie Roms. Dies trifft zum Beispiel für die Beschreibung der Ermordung des `guten´ Königs Servius Tullius zu - des Erbauers der nach ihm benannten älteren Stadtmauer Roms, die wir eben kennengelernt haben - dessen `böser´ Schwiegersohn Tarquinius Superbus auf diese Weise an die Macht gelangt ist.


8. Dia

S. PAAS, S. MERTENS 2003

Titelbild (Detail) und S. 252, Kat. 180, Gemälde: Jean Bardin, Tullia fährt über den Leichnam ihres Vaters (1765). Mainz, Landesmuseum.


Wir sehen hier den bereits ermordeten König Servius Tullius. Dieser 6. und vorletzte König Roms hatte 2 Töchter, eine `gute´ und eine `böse´. Die `böse´ Tochter des Königs hieß (natürlich) Tullia19 - der Maler des Gemäldes, der Franzose Jean Bardin, hat den entscheidenden Moment ihres Frevels festgehalten, der von Ovid (fast. 8,605-608) und anderen antiken Autoren geschildert worden ist. Tullia befiehlt nämlich dem Lenker ihres Fahrzeugs, der soeben seinen ermordeten König auf der Erde liegend erblickt hat, nicht nur über dessen Leiche, sondern sogar über das Gesicht zu fahren. Und da sich der Mann selbstverständlich weigert, zwingt Tullia ihn unter Strafandrohung dazu. Diese ruchlose Tat wird `Langzeitfolgen´ haben, wie wir heute sagen würden. Denn Tullia, die den Mord an ihrem Vater anzettelte, damit ihr Gatte Tarquinius Superbus König werden konnte, wird ja letztendlich gemeinsam mit diesem aus Rom verjagt werden. Tarquinius Superbus usurpierte also auf Grund des Mordes an Servius Tullius die Königsmacht, die er, um ein anerkannter König sein zu können, eigentlich legal hätte erwerben müssen - durch Wahl oder auf Grund einer entsprechenden Verfügung seines Vorgängers, in Rom gab es damals allerdings das Wahlkönigtum, weshalb Tarquinius Superbus nach dem (natürlichen) Tode der Servius Tullius nicht `automatisch´ König von Rom geworden wäre. Tarquinius Superbus ludt aber noch weitere Schuld auf sich, indem er, wie die Sage weiter erzählt, obendrein die ehrenvolle Bestattung des Servius Tullius verhindert hat.


Ich werde Ihnen später noch den Weg in Rom zeigen, den König Servius Tullius an seinem letzten Lebenstag bis zum Augenblick seiner Ermordung zurücklegte, es ist sogar annähernd möglich festzulegen, wo Tullia ihren Vater überfahren ließ. Die entsprechenden Ortsangaben lassen sich antiken Schriftquellen entnehmen, und es besteht keine Veranlassung, deren diesbezügliche Korrektheit zu bezweifeln - es sind offenbar Orte in der Stadt Rom, die in späteren Theaterstücken als die Schauplätze dieser Begebenheiten gegolten haben.


Anders verhält es sich mit den geschilderten Vorgängen selbst, die offenbar nachträglich dazu dienen sollten, die Vertreibung des Tyrannen Tarquinius Superbus zu begründen. Die hier wiedergegebene Tullia wird überhaupt von den antiken Autoren in den schwärzesten Farben gezeichnet: ihre `gute´ Schwester (natürlich gleichfalls eine Tullia) war eigentlich mit jenem Mann verheiratet worden, der sich als 7. König von Rom zu Tarquinius Superbus entwickeln sollte, und die `böse´ Tullia war mit dessen `gutem´ Bruder Arruns Tarquinius vermählt worden (der nicht historisch ist) - um das `böse´ Paar Tullia und Tarquinius Superbus zu ermöglichen, hatten beide zunächst einmal ihre jeweiligen Gatten ermordet.


Das Königspaar Tarquinius Superbus und Tullia hat drei Söhne, einer von ihnen, Sextus Tarquinius, wird der Auslöser dafür sein, dass die Römer ihren letzten König Tarquinius Superbus zwingen, mitsamt seiner Familie in die Verbannung zu gehen.


9. Dia (Detail des Gemäldes Dia 8)

S. PAAS, S. MERTENS 2003

Titelbild (Detail) und S. 252, Kat. 180, Gemälde: Jean Bardin, Tullia fährt über den Leichnam ihres Vaters (1765). Mainz, Landesmuseum.


Dass sich der klassizistische Maler Jean Bardin für dieses Sujet interessieren konnte, liegt daran, dass die entsprechenden Texte des Livius (1, 57-60) und Ovid (fast. 2,721-852) erhalten sind, und Ovid hatte, wie der englische Althistoriker T. P. Wiseman herausgearbeitet hat, diese Geschichte oft genug auf der Bühne gesehen. Ich habe Ihnen den entsprechenden Aufsatz in der Literaturliste genannt: "Ovid on Servius Tullius"20.


Unser Maler beteiligte sich im Jahre 1765 an der alljährlich stattfindenden Ausschreibung um den "Prix de Rome", den Rompreis, der es Malern und anderen Künstlern ermöglicht hat, in Rom als Stipendiaten des französischen Königs zu leben und zu arbeiten. Eines der Themen dieses Jahres lautete: "Tullia, die mit dem Wagen den Leichnam des Königs Servius Tullius, ihres Vaters, überfährt". Bardin gewann den Rompreis und konnte auf Grund des hier gezeigten Gemäldes 5 Jahre in Rom leben, wobei die Stipendiaten des Königs ausgesprochen feudal in der Villa Medici untergebracht waren.


10. Dia

F.W. PUTZGER 1978, Karte 18 unten, Der Aufstieg Roms in Italien bis 300 v. Chr.


Ich zeige Ihnen hier eine Karte aus Putzgers historischem Atlas, weil auf ihr Rom und das SW davon gelegene Ardea sichtbar sind. Die Stadt Ardea wird später, wie hier angegeben, zu den Bundesgenossen Roms zählen, in der Geschichte, die ich Ihnen gleich vortragen werde, ist das noch nicht der Fall: hier ist König Tarquinius Superbus soeben dabei, die Stadt Ardea zu belagern. Tarquinius Superbus hatte zuvor schon Anzeichen erhalten, die ihn für sein weiteres Schicksal Schlimmes befürchten ließen, und wie zu seiner Zeit üblich, schickte er, um der Sache auf den Grund zu gehen, zwei seiner Söhne, Titus und Arruns Tarquinius, zum Orakel nach Delphi. Diese nahmen ihren Cousin, Lucius (Iunius) Brutus mit auf diese damals gefährliche Reise. Dieser Brutus ist der eigentliche Held der Geschichte, doch war dies dem Tarquinius Superbus und dessen Söhnen glücklicherweise nicht klar. Sein Beiname Brutus wird von Hans Jürgen Hillen, dessen Liviusübersetzung ich Ihnen gleich vortragen werde, als `der Blöde´ übersetzt, T.P. Wiseman schlägt dagegen überzeugend vor, ihn als Stummen aufzufassen. Dabei war Brutus keineswegs blöd oder stumm, er stellte sich nur so, da er bereits hatte erleben müssen, dass Tarquinius Superbus seinen Bruder (nach anderen Versionen der Geschichte außerdem seinen Vater) ermordet hatte, und sich nun, ähnlich dem Prinzen Hamlet in Shakespeares gleichnamigem Drama `blöd´ stellte, um nicht gleichfalls beseitigt zu werden.


Die beiden Königssöhne Titus und Arruns Tarquinius nehmen Brutus nur deshalb mit auf ihre Reise nach Delphi, um ihren Spott mit ihm zu treiben, ihn sozusagen `wie einen Hund´ zu behandeln. Die Antwort Apollons (das heißt der Pythia) auf die Frage, wie es um die Herrschaft des Tarquinius Superbus bestellt sei, lautet: "Du wirst nur dann aus Deiner Herrschaft verjagt werden, wenn ein Hund die menschliche Sprache benutzt". Da es nach der Erfahrung des Tarquinius Superbus keine sprechenden Hunde gab, war er, als ihm seine Söhne die Antwort des Gottes mitteilten, hochzufrieden und glaubte, seine Herrschaft sei nicht bedroht. Wiseman bezieht diesen Orakelspruch dagegen zu Recht auf Brutus, denn als der sein Schweigen bricht, organisiert er in der Volksversammlung in Rom den Widerstand gegen Tarquinius Superbus, und bewirkt, dass der König ins Exil gehen muss.


Noch sind wir aber mit Titus und Arruns Tarquinius sowie Brutus in Delphi. Die beiden Söhne des Tarquinius Superbus fragen Apollon auch, wer der Nachfolger ihres Vaters werden wird, dabei setzen sie als selbstverständlich voraus, dass einem von ihnen beiden oder ihrem zu Hause gebliebenen Bruder, Sextus Tarquinius, die Herrschaft zufällt. Apollon (die Pythia) antwortet, "derjenige wird Herrscher sein, der zuerst die Mutter küßt". Titus und Arruns beschließen, dies ihrem Bruder Sextus zu verheimlichen und wollen Lose ziehen, um zu entscheiden, wer von ihnen beiden bei ihrer Heimkehr zuerst ihre Mutter küssen darf. Doch Brutus kommt ihnen zuvor. Unter dem Vorwand gestrauchelt zu sein, lässt er sich auf die Erde fallen und berührt mit einem Kuß die Erde, weil er den Spruch der Pythia so deutet, dass die `Mutter Erde´ gemeint sei, von der ja alle Menschen abstammen. Brutus sollte Recht behalten, denn er wird nach der Vertreibung des Königs Tarquinius Superbus (angeblich) der 1. Consul (bzw. der 1. oberste Magistrat) der Römer sein.


Was nun kommt, schildert der Historiker Titus Livius (1, 67), der in augusteischer Zeit lebte, wie folgt. Die Übersetzung stammt, wie gesagt, von Hans Jürgen Hillen: Tarquinius Superbus, seine Söhne und weitere Verwandte belagern die Stadt der Rutuler, Ardea, weil die Stadt sehr reich ist und Tarquinius Superbus Geld braucht. Im Feldlager vergnügen sich die hohen Herren abends bei Zechereien. "Als sie einmal bei Sex. Tarquinius zechten, wo auch Tarquinius Collatinus ... mit bei Tisch war, kam die Rede auf ihre Frauen, und jeder lobte die Seine in den höchsten Tönen. Darüber entbrannte Streit, und Collatinus erklärte, es bedürfe keiner Worte, in wenigen Stunden könnte man wissen, wie sehr seine Lucretia die anderen übertreffe. "Wenn das Feuer der Jugend in uns ist", sagte er, "warum schwingen wir uns dann nicht auf die Pferde und sehen uns persönlich an, wie unsere Frauen sind ? Als das sicherste Zeichen dürfte für jeden gelten, was es zu sehen gibt, wenn der Mann unerwartet auftaucht".

Was dann folgt, ist ein Abenteuer, das seit Erfindung von Telefon und vor allem Handy in dieser Form heute leider nicht mehr möglich ist.


Betrunken wie sie alle sind, reiten sie tatsächlich aus dem Feldlager vor der Stadt Ardea nach Rom, wobei die Entfernung beider Städte heutzutage ungefähr 40 Autostraßenkilometer beträgt. Damit nicht genug, werden sie nach ihrem `Lokaltermin´ in Rom dann noch weiter nach Collatia reiten, um sich persönlich davon zu überzeugen, was die Frau des Collatinus, Lucretia, um diese Tageszeit treibt. Leider kann ich Ihnen nicht sagen, wie weit Collatia von Rom entfernt war. Alles in allem also sowohl für die stocknüchternen Pferde eine Riesenanstrengung, und für stocknüchterne Reiter sicherlich ebenso, geschweige denn für betrunkene.


Was sehen nun unsere Reiter ?

Livius schreibt: Als sie in Rom eintrafen, "brach bereits die Dunkelheit herein; sie ritten dann noch weiter nach Collatia, wo sie Lucretia keineswegs so vorfanden wie die Schwiegertöchter des Königs - diese hatten sie angetroffen, wie sie sich bei Gelage und Spiel mit Gleichaltrigen die Zeit vertrieben - , sondern sie [Lucretia] saß noch spät in der Nacht, mit der Wolle beschäftigt, im Inneren des Hauses unter ihren bei Lampenschein arbeitenden Mägden. Im Streit um die Frauen trug Lucretia den Preis davon".


Der Ehemann Lucretias, Collatinus, ist entzückt, dass er Recht behalten hat, und lädt die Königssöhne freundlich zu einem geselligen Beisammensein ein - doch die Sache hat ein tragisches Nachspiel. Im Folgenden fasse ich den weiteren Verlauf der Lucretiageschichte nach der Version des Livius zusammen.


Sextus Tarquinius21, der älteste Sohn des Tarquinius Superbus und somit sein vermutlicher Nachfolger, verliebt sich an diesem Abend in Lucretia, besucht sie später auch allein und macht ihr Avancen. Da Lucretia auf sein Drängen nicht eingeht, droht er sie zu ermorden und kommt 1.) deshalb an sein Ziel, weil Lucretias Mann wegen der Belagerung von Ardea nicht zu Hause ist, und 2.) weil er behauptet, neben Lucretias Leichnam einen getöteten Sklaven legen zu wollen, damit es so aussähe, als habe sie ihren Mann mit diesem Sklaven betrogen. Am folgenden Morgen lässt Lucretia ihren Vater und ihren Mann herbeirufen, erzählt ihnen was vorgefallen ist und bittet die beiden sie zu rächen. Beide Männer sind der Ansicht, dass sie - Lucretia - keinerlei Schuld an diesem Ehebruch treffe. Doch Lucretia erklärt, sie müsse sterben, weil sich ansonsten zukünftig Ehebrecherinnen auf ihre soeben erlittene Vergewaltigung berufen könnten, auch in den Fällen, in denen diese Frauen mit dem Geschlechtsverkehr einverstanden gewesen wären, ergreift einen Dolch und nimmt sich das Leben.


`Zufällig´ ist Brutus bei dieser Familientragödie zugegen, er nimmt den blutigen Dolch mit sich nach Rom, wo er eine Volksversammlung einberuft, welche die Vertreibung des Königshauses der Tarquinier beschließt. Wir erinnern uns an den Orakelspruch des Apollon in Delphi, die Herrschaft des Tarquinius Superbus werde enden, wenn `ein Hund (das heißt Brutus) zu sprechen beginnt´. Als Tarquinius Superbus in Ardea von den Vorgängen in Rom erfährt und dorthin zurückkehrt, ist es bereits zu spät. Die Tore der Servianischen Stadtmauer bleiben für ihn verschlossen und er muss ins Exil gehen. Daraufhin werden Brutus, der den Tyrannen verjagt hat, und Collatinus22, der Ehemann der Lucretia, die ersten Consuln Roms.


Die Geschichte der Lucretia hat nicht nur in der Antike die Gemüter bewegt, und in der Neuzeit zahlreiche Maler inspiriert, sie ist auch für die moderne Forschung aus den verschiedensten Gründen interessant. 1.) kann man den Ursprüngen dieser Geschichte nachgehen und feststellen, dass sie mit dem Streit von Männern, wer von ihnen die beste Ehefrau besitze, dem Schema des hellenistischen Romans folgt23, das heißt griechische Vorbilder hat, die in der Zeit nach dem Tode Alexanders des Großen 323 v. Chr. entstanden sind.


2.) ist die Lucretiageschichte für all jene interessant, die sich mit der juristischen Stellung der Frau in der römischen Gesellschaft beschäftigen, dazu habe ich Ihnen in der Literaturliste den Sammelband der Amerikanerin Angeliki E. Laiou genannt, in dem die Rechtshistorikerin Diana C. Moses die Lucretiageschichte aus dieser Perspektive analysiert. Sein Titel lautet: "Consent and Coercion to Sex and Marriage in Ancient and Medieval Societies", `Einverständnis und Zwang zu Sex und Heirat in antiken und mittelalterlichen Gesellschaften´. Diana C. Moses untersucht auch, wie sich die Version der Lucretiageschichte des Livius von all den Versionen anderer antiker Autoren unterscheidet. Sie weist nach, dass die Version des Livius die letztendlich erfolglose augusteische Ehegesetzgebung reflektiert, die zu eben der Zeit heftig in Rom diskutiert worden ist, als Livius den entsprechenden Band seines Geschichtswerkes verfasst hat.


3.) kann man die Quellen, wie T. P. Wiseman dies getan hat, daraufhin prüfen, ob Rom tatsächlich von Anfang der Republik an von 2 Consuln regiert wurde (wie es später üblich war): in der soeben referierten Fassung der Lucretiageschichte heißt es ja, Brutus, der die Tarquinier aus Rom vertrieb, und Collatinus, Lucretias Gatte, seien gemeinsam die ersten Consuln Roms gewesen. Dies war aber offenbar keineswegs der Fall. Es gab am Anfang der Republik nur einen einzigen obersten Magistraten, keine 2 Consuln, worauf ich später noch einmal eingehen werde24.


Folglich kann, falls Brutus dieser oberste Magistrat gewesen sein sollte, Tarquinius Collatinus nicht historisch sein, denn welches Amt sollte er bekleidet haben ? Und wenn Collatinus nicht historisch ist, dann natürlich ebensowenig seine Gattin Lucretia. Es besteht im Übrigen keinerlei Veranlassung, Brutus für historisch zu halten. Nimmt man alle Versionen der Lucretiageschichte zusammen, dann haben im 1. Jahr der römischen Republik sogar insgesamt 5 verschiedene Consuln ihr Amt angetreten, wobei die für diesen häufigen Wechsel angeführten Gründe, insgesamt betrachtet, sehr unglaubwürdig klingen. Das Konsulat war das höchsten Amt, das die Republik zu vergeben hatte. Erklären kann man dieses `Gedränge´ von so vielen Vertretern einflußreicher Adelsfamilien um das Konsulat in diesem ersten Jahr der Republik damit, dass die Römer erst ab ca. 300 v. Chr. damit begonnen haben, ihre eigene Geschichte zeitnah aufzuschreiben. Dieses `Geschichtsvakuum´ wurde irgendwann einmal entdeckt und eröffnete ihnen die Möglichkeit, die Geschehnisse des Zeitraums von 510/ 509 bis ca. 300 v. Chr. im Nachhinein zu `gestalten´. Dies haben die jeweils führenden Adelsfamilien offenbar in ihrem Sinne getan, z. B. die Iunii und die Lucretii, die mit den angeblichen Vorfahren Lucius Iunius Brutus und Lucretia die Bedeutungen ihrer Familien `aufwerteten´. Die Aufsätze, in denen T.P. Wiseman diese Vorgänge analysiert hat, sind in der Literaturliste genannt25. Auch unter diesem Aspekt betrachtet, erweist sich die Lucretiageschichte als ausgesprochen typisch für den gesamten Zeitraum der Republik, dem wir uns in dieser Vorlesung widmen wollen.


4.) kann man diese Geschichte wie die österreichische Etruskologin Sybille Haynes betrachten, der ich hier gefolgt bin. Haynes hat sich mit den in dieser Geschichte wiedergegebenen Klischees `etruskisches´ versus `römisches´ Verhalten auseinandergesetzt, das heißt, mit den abendlichen Beschäftigungen der Ehefrauen: den `etruskischen´ Schwiegertöchtern des Tarquinius Superbus in Rom einerseits, und der `römischen´ Lucretia in Collatia andererseits. Die ersteren vergnügen sich bei Gelage und Spiel mit ihren Gästen, die letztere sitzt mit ihren Mägden zusammen und spinnt Wolle, und wird somit von Livius als die mustergültige römische Gattin hingestellt, genau so, wie sich Augustus die Damen der senatorischen Klassse seiner Zeit gewünscht hätte (!). Das klingt auf den ersten Blick unfreiwillig komisch, hat jedoch einen sehr ernstzunehmenden Hintergrund. Zum einen war das Thema Ehebruch sowohl in der gesellschaftlichen Realität als auch in der juristischen Fachliteratur der Zeit ein sehr brisantes Thema. Zweitens diskutierten die Zeitgenossen des Livius die zahlreichen Fälle von Ehebruch auch deshalb, weil es im Laufe des lange andauernden Bürgerkrieges zu zahlreichen Vergewaltigungen gekommen war, bei deren Diskussion genau die Frage im Vordergrund stand, welche die Lucretiageschichte in dichterischer Form stellt: betrügen die daheimgebliebenen Ehefrauen ihre in den Krieg gezogenen Ehemänner freiwillig oder nicht ?


Die Lucretiageschichte hat trotz der soeben aufgeführten hellenistischen `Zutaten´ nach Ansicht von Diana C. Moses dennoch einen älteren Kern, eine Behauptung, die natürlich nichts darüber aussagt, ob das darin geschilderte Geschehen - abgesehen davon, dass einige der darin erscheinenden Personen historisch sind - auf einer wahren Gegebenheit basiert oder nicht. Si non è vero, è ben trovato, könnte man also vor dem Hintergrund der Geschehnisse des Bürgerkrieges der späten Republik salopp formulieren. T. P. Wiseman hält noch sehr viel weniger Details der Lucretiageschichte für historisch als Diana C. Moses. Dennoch macht es Sinn, sich mit der Lucretiageschichte zu befassen, aber nicht, weil sie uns historische Fakten zum Jahr 510 / 50926 beschert, sondern weil sie unmißverständlich beweist, dass die Römer zu einer Zeit, als ihre Eruierung theoretisch noch möglich war, überhaupt nicht an nachprüfbaren Fakten zu diesem bedeutungsvollen Jahr ihrer Geschichte interessiert gewesen sind.


Da es sich demnach bei der Lucretiageschichte nicht um eine historische Begebenheit, sondern um pure Erfindung handelt, kann man sagen, dass der Vergleich zwischen den Schwiegertöchtern des Tarquinius Superbus und der Lucretia auch deshalb gut gewählt ist, weil Lucretia den anderen Damen gesellschaftlich durchaus ebenbürtig ist. Das heißt, sie ist keinesfalls verpflichtet, selbst zu `arbeiten´ - weshalb ihr Fleiß tatsächlich bemerkenswert ist.


[Bis hier in der 1. Vorlesungstunde gelesen, inzwischen verändert].




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Fussnoten:


1 J. R. MERTENS 1987, 11.

2 E. LA ROCCA, C. PARISI PRESICCE, A. LO MONACO 2010.

3 was in Etrurien jedoch beides vorkam.

4 so auch Horaz über Maecenas, s. J. HEURGON 1971, 365 mit Anm. 121 (Hor., Sat. 1, 6, 1ff.); vgl. bis S. 377.

5 F. PRAYON 2010, 17-18.

6 in diesem Text wird der ansonsten umstrittene Begriff noch verwendet.

7 vgl. F. PRAYON 2006, 118 s.v. Fanum Voltumnae, zentrales Heiligtum der Etrusker bei Volsinii (Orvieto), das inzwischen von S. STOPPONI ausgegraben worden ist.

8 s. CIL VI, 21771.

9 s. CIL VI, 21771.

10 S. MRATSCHEK-HALFMANN 1993, 264, no. 10 ("C. Maecenas").

11 J. HEURGON 1971, 365.

12 F. ZEVI 1995.

13 A. MURA SOMMELLA 2000.

14 T. P. WISEMAN 2008.

15 vgl. LTUR III (1996) 319-334 s.v. "Murus Servii Tullii; mura repubblicane" (mit allen Toren dieser Stadtmauer).

16 zu der Frage, ob er mit Mastarna identifizierbar sei, KlPauly 3 (München 1979) 1070-1071 s. v. Mastarna (K. ZIEGLER); s. u. zur 10. Vorlesungssitzung.

17 A. CLARIDGE 1998, 59.

18 F. KOLB 1995.

19 OCD3 (1996) 1557-1558 s.v. Tullia (1), younger daughter of Servius Tullius (A. DRUMMOND); T. P. WISEMAN 1998.

20 T. P. Wiseman 1998.

21 dass es für das Verhalten, das, wie Livius behauptet, Sextus Tarquinius in Gabii an den Tag gelegt haben soll, griechische Vorbilder gibt, konstatiert T. P. Wiseman 2008, 137.

22 die Tatsache, dass er sehr bald ins freiwillige Exil gehen muss, da er wegen seiner Verwandtschaft mit Tarquinius Superbus suspekt ist, entspricht der Geschichte von Kleisthenes, der, wegen seiner Verwandtschaft mit dem exilierten Hippias, als erster in der athenischen Demokratie ostrakisiert werden sollte, s. T. P. Wiseman 2008, 138.

23 KlPauly 5 (München 1979) 526 s. v. Tarquinius (A. PFIFFIG); D. C. MOSES, in: A. E LAIOU 1993, 71 mit Anm. 111.

24 s. u. zur 10. Vorlesungssitzung.

25 T. P. WISEMAN 2008, 293-305, "The Legend of Lucius Brutus"; S. 306-319: "Roman Republic, Year One"; vgl. ebenda S. 137-138.

26 nach anderen Quellen wurden die Tarquinier 508/ 507 aus Rom vertrieben, s. T. P. WISEMAN 2008, 137.


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