Der folgende Text stammt aus HÄUBER 2005 ab Seite 51 (ohne Fußnoten):
III. 4. Die Porta Triumphalis
Meine Rekonstruktion der republikanischen Stadtmauer ist mit einer 4 m breiten dunkelbraunen Linie wiedergegeben (s. Abb. 2-5). Ihre noch erhaltenen bzw. in Ausgrabungen dokumentierten Teilstücke sind hellbraun angelegt und auf Abbildung 2 mit den Buchstaben "F1", "F2", "T" sowie "U", und auf Abbildung 5 mit den Ziffern "12" und "16" bezeichnet. Die Mauer "R" der Abbildung 2 gilt als Stützmauer des Capitoliums, die Mauern "la", "lb" und "2" auf Abbildung 5 gehören nach Ansicht von P. Mazzei zu den "fortificazioni proprie del colle". Coarelli (1988) hält die bereits erwähnte Mauer "*" aus Cappellaccio am "Vico Jugario" (vgl. hier Abb. 2) für einen Teil der archaischen Stadtmauer, Ruggiero (1990) hält sie dagegen für eine Stützmauer ("terrazzamento") des Capitoliums, wobei eine Stadtmauer in diesem Bereich natürlich immer auch Stützmauer gewesen ist. Gegen die Mauer "U" war ein kaiserzeitliches Haus gesetzt, Gebäude "S", wo die Mauer "T" zu Tage kam, stand unmittelbar an der Stadtmauer. Da auch am Vico Jugario Reste der republikanischen Stadtmauer entdeckt wurden, erkläre ich die auffällige SW-NO-Orientierung von Gebäude "H" damit, daß es sich innen an die hier ehemals nach SW abknickende republikanische Stadtmauer anlehnte. Falls Gebäude "H" zum Heiligtum der Carmenta gehört haben sollte, wäre alternativ denkbar, daß die Stadtmauer diesem Gebäude angepaßt wurde, denn das Heiligtum lag Schriftquellen zufolge auf ihrer Innenseite. Sollte der Tempel der Carmenta dort gestanden haben, wo sich zwischen den Gebäuden "K", "J" und "H" eine Freifläche befindet, wird die republikanische Stadtmauer vermutlich einen 'Bogen' um ihn beschrieben haben.
Ich halte es trotz der bekannten Schwierigkeiten für möglich, die Porta Carmentalis, und damit die Porta Triumphalis, exakt zu lokalisieren. Einen der beiden Durchgänge der Porta Carmentalis nehme ich mit Ruggiero (1990) dort an, wo sie im S der republikanischen Porticus "O" (s. Abb. 2) die beiden bis 3,95 m mächtigen Mauern aus Grotta Oscura "F1" und "F2" dokumentiert hat, die zu einem Durchgang der republikanischen Stadtmauer mit einer lichten Weite von ca. 3,80 m gehören.
Auf diesen Durchgang war die Porticus "O" (eine Via Tecta?) ausgerichtet, wobei ich das N-Ende der 'unter' ihr verlaufenden Straße mangels entsprechender Funde nicht eingezeichnet habe. Dieses Stadttor hat nun deshalb einen zweiten Durchgang besessen (vgl. zum Folgenden Abb. 2; 5), weil 1.) der moderne Vico Jugario im N der 'Area sacra di S. Omobono' parallel zum antiken Vicus Iugarius verläuft, und weil 2.) laut P. Virgili die am Vico Jugario beobachteten Teile der republikanischen Stadtmauer aus Grotta Oscura auf der O-Seite des Gebäudes "O", unmittelbar an dieses anschließend, entdeckt worden sind. Ich lokalisiere das zweite Tor der Porta Carmentalis aufgrund der Annahmen, daß 1.) die republikanische Stadtmauer im N von Gebäude "H" nach SW abknickte, daß 2.) die Reste der Stadtmauer aus Grotta Oscura, wie das mit ihnen untersuchte Gebäude "O", auf der N-Seite des Vico Jugario standen und daß 3.) die N-Wand der Porticus "G" die Stadtmauer 'abzeichnet'. Deshalb habe ich die Stadtmauer, von Gebäude "H" nach W betrachtet, nicht mit der Mauer "F2" verbunden, sondern nehme zwischen der Mauer "F2" und den Gebäuden "O" und "G" das zweite Tor der Porta Carmentalis an.
Meine Rekonstruktion der republikanischen Stadtmauer (s. Abb. 2; 5) basiert zwischen den Stützpunkten "F2" und "T" auf folgenden Prämissen, daß 1.) die Stadtmauer am SW- Abhang des Capitoliums die Funktion einer Stützmauer erfüllte, und daher bis zu Gebäude "H" geführt hat, daß 2.) die antiken Architekturen am SW-Abhang des Capitoliums von der Straße "N" bzw. von ihrem republikanischen Vorgänger aus zugänglich waren, sowie 3.), daß diese Architekturen auf Vorgängerbauten stehen, bei denen es sich um jene handelt, die Privatleute nach 88 v. Chr. unmittelbar an die Stadtmauer angebaut hatten. Die beiden Stadttore auf der W-Seite des Kapitols nenne ich versuchsweise "PORTA RATUMENA?" und "PORTA CATULARIA?" (s. Abb. 5).
Die Ausgrabung von Le Pera und Sasso D'Elia (1995) hat ferner gezeigt, daß Pflasterung, die bislang für die des Forum Holitorium gehalten worden war, zu einer 10-12 m breiten Straße gehört (ihre Via Triumphalis; s. Abb. 2, "N"). Diese "ampia via porticata" ist einschließlich des sie beiderseits flankierenden Komplexes aus Portiken und Tabernae am Ende des 1. /Anfang des 2. Jahrhunderts n. Chr. entstanden. Auf der O-Seite nahm der Komplex flächendeckend die Terrassen am SW-Abhang des Capitoliums ein. Ferner stellten Le Pera und Sasso D'Elia fest, daß die drei Tempel der Kirche "S. Nicola in Carcere" auf einen republikanischen Vorgänger dieser Straße ausgerichtet sind (vgl. hier Abb. 5). Coarelli (1988) und Rodriguez Almeida (1991), lokalisieren die Porta Navalis versuchsweise dort, wo auf meiner Abbildung 2 die Straße "N" bei Punkt "E" auf die Stadtmauer trifft.
Von der Republik bis in die Kaiserzeit überschritten siegreiche Feldherren und ihre Truppen durch die Porta Triumphalis das Pomerium. Coarelli identifiziert die Porta Triumphalis überzeugend mit dem dexter ianus portae Carmentalis (dem rechten Durchgang der Porta Carmentalis auf der Landseite ), weil er den Verlauf des Pomeriums ungefähr mit dem dem der Via del Teatro di Marcello (vgl. hier Abb. 2-5) gleichsetzen kann. Haselberger (2002) lokalisiert die Porta Triumphalis versuchsweise bei Punkt "E" (s. Abb. 2). An dieser Stelle kann die Porta Triumphalis aber deshalb nicht gestanden haben, weil sich die Straße "N" in gleicher Breite nach S fortsetzte, ohne daß bei Punkt "E" Hinweise auf ein Tor entdeckt worden wären.
Coarellis Identifizierung seines hadrianischen doppelten Janus der Area sacra di S. Omobono' mit der kaiserzeitlichen Porta Triumphalis folge ich nicht, 1.) weil dieser Vorschlag auf seiner von Wiseman (1990) widerlegten Identifizierung der im Tempel der Area sacra di S. Omobono' verehrten Fortuna mit der Fortuna Redux basiert, 2.) weil es sich bei dieser Architektur gar nicht um einen doppelten Janus, sondern um eine Via Tecta handelt, 3.) weil er irrtümlich behauptet, daß kaiserzeitliche Münzen und Reliefs, auf denen verschiedene Bogenmonumente erscheinen, seinen "doppio giano" zeigen, und 4.) weil er irrtümlich behauptet, daß diese Darstellungen auch die Porta Fenestella wiedergeben, die er mit dem N-Eingang zur Area sacra di S. Omobono' am Vicus Iugarius identifiziert (vgl. hier Abb. 2, "C"). Wiseman (1998) konnte jedoch nachweisen, daß es sich bei der Porta Fenestella um die am N- Abhang des Palatins befindliche Porta Mugonia gehandelt hat.
Ich identifiziere die Porta Triumphalis mit dem rechten Durchgang meiner Porta Carmentalis auf der Landseite (s. Abb. 5; Abb. 2, "F1", "F2"), das heißt, dem rechten Durchgang, wenn man auf dem Vicus Iugarius vom Tiber aus, oder auf der Straße "N", oder durch die republikanische Porticus "O" (s. Abb. 2) auf das Stadttor zuging. Der dem Stadttor neu hinzugefügte Durchgang (s. Abb. 2, zwischen den Gebäuden "O" und "G" und der Mauer "F2") ist der rechte auf der Stadtseite. Dies müßte die Porta Scelerata sein, durch dir im Jahre 477 v. Chr. die Fabii nach Veii gezogen sein sollen. Dieses Datum scheint zunächst eine Identifizierung dieses Durchgangs in einem Stadttor des 4. Jahrhunderts v. Chr. mit der Porta Scelerata grundsätzlich auszuschließen.
Es ist aber vorstellbar, daß man von dem Durchgang diese Geschichte erzählt hat. Denn er war für den, der auf dem Vicus Iugarius von O kam, der 'näher' gelegene, wie Ovid ( Fast ., II, 201-204) die Porta Scelerata beschreibt, außerdem befand er sich, im Unterschied zu dem anderen Durchgang, in der Nähe des Heiligtums der Carmenta (s. Abb. 2, die Freifläche zwischen "K"; "J" und "H"?; "H"?; siehe dazu oben), wie Festus (450 L) die Porta Scelerata charakterisiert.
Der Orientierungswechsel der republikanischen Stadtmauer in diesem Bereich ist von Colini (1977)" mit dem Heiligtum der Carmenta erklärt worden, und von Coarelli (1988) mit der Errichtung des gemeinsamen Podiums der republikanischen Tempel der 'Area sacra di S. Omobono'. Am Fuße der SW-Seite des Capitoliums gab es ja Süßwasserquellen, die die Besiedlung des Capitoliums ermöglicht, und offenbar Anlaß zum Kult der Carmenta gegeben hatten. Die Gallier, die 387 v. Chr. das Kapitol belagerten, hielten es nicht für nötig, die Seite beim Heiligtum der Carmenta zu bewachen (Liv., V, 46, 9). Von hier aus kletterten sie auf den Spuren des Pontius Cominius zum Plateau des Capitoliums hinauf (Liv., V, 47, 2). Weshalb die auf den Fragmenten FUM Nr. 31a-c sichtbare Treppenanlage offensichtlich erst danach , und vermutlich zusammen mit der republikanischen Stadtmauer, erbaut worden ist.
Während G. Pisani Sartorio (1995) und S. Le Pera und L. Sasso D'Elia (1995) die Treppe der Fragmente FUM Nr. 31 a-c gar nicht erwähnen, wird in einigen der unter III.3. betrachteten Rekonstruktionen einer ihrer Treppenläufe über das Gebäude "L" meiner Abbildung 2 'hinweg' zur Porta Carmentalis geführt. Man kann aber fragen, warum die Römer ausgerechnet an dieser natürlich geschützten Stelle eine Treppe von außerhalb der Stadtmauer auf das Plateau des Capitoliums geführt haben sollten. Wie erwähnt, nimmt Coarelli diesen Treppenlauf auf der Innenseite der Stadtmauer an. Er habe seiner Ansicht nach dazu gedient, daß der Proconsul (später der Kaiser) nach Ablegen der vota auf dem Capitolium zum sinister ianus portae Carmentalis (nach Coarellis Ansicht dem linken Tordurchgang auf der Landseite ) gelangen konnte, der der profectio vorbehalten gewesen sei. Die Geschichte der Fabii zeige, daß die Porta Carmentalis zwei Durchgänge besessen habe, und daß es zwei voneinander getrennte Zugänge zu diesen Durchgängen gab. Coarelli glaubt, daß der Proconsul den Clivus Capitolinus , der für den Triumphzug reserviert gewesen sei, in 'Gegenrichtung' nicht habe beschreiten dürfen. Ferner weist er darauf hin, daß die Porta Carmentalis jederzeit passierbar gewesen sein müsse, weil hier der Vicus Iugarius die Stadt verließ. Als Lösung dieses Problems wäre nach Ansicht von Coarelli z.B. denkbar, daß die Tabus, die die Porta Triumphalis und die Porta Scelerata betrafen, vielleicht nur temporär gegolten haben. Andererseits hätte das Stadttor laut Coarelli womöglich mehr als nur zwei Durchgänge besitzen müssen, dann nämlich, wenn diese Namen zwei verschiedene Durchgänge des Stadttores bezeichnet hätten, und beide nur in Ausnahmefällen benutzt worden wären.
Das die Porta Scelerata betreffende Tabu welches besagte, daß man durch sie die Stadt nicht verlassen dürfe - galt aber ausschließlich für Magistrate (vgl. Cass. Dio, V, 20 [21], 3), weshalb ich, Coarelli folgend, in meiner Rekonstruktion der Porta Carmentalis nur von insgesamt zwei Tordurchgängen ausgehe. Sollte diese Annahme korrekt sein, ergibt sich daraus Folgendes: Entweder man hat sich an das Tabu, das Magistraten verbot, durch den rechten Tordurchgang der Porta Carmentalis auf der Stadtseite die Stadt zu verlassen, nicht gehalten, was wenig wahrscheinlich ist, oder die profectio der Magistrate hat am linken Tordurchgang der Porta Carmentalis auf der Stadtseite stattgefunden. Demnach hätten die Magistrate durch diesen (scil. die Porta Triumphalis) in Gegenrichtung zum Triumphzug die Stadt verlassen, und profectio eines Magistraten und adventus eines Triumphatoren wären durch denselben Tordurchgang der Porta Carmentalis erfolgt. Die Geschichte der Fabii könnte dann so gedeutet werden, daß sie ihren Untergang heraufbeschworen hätten, weil sie auf einer anderen als der vorgeschriebenen Straße (dem in sich geschlossenen 'Kreis' des Triumphweges?) die Stadt verließen. Wobei die Geschichte ja den Schluß erlaubt, daß die Fabii, wenn sie den richtigen Weg gewählt hätten, wohlbehalten nach Hause zurückgekehrt wären. Coarelli (1988) interpretiert den fatalen 'Irrtum' der Fabii gleichsam umgekehrt: Diese hätten in 'Gegenrichtung zum Triumphzug' durch die Porta Triumphalis (scil. dem linken Durchgang der Porta Carmentalis auf der Stadtseite) die Stadt verlassen, und weil dies das falsche Tor gewesen sei, auf diese Weise ihren Untergang herbeigeführt. Die Fabii sind nach den Angaben der antiken Schriftquellen aber durch den anderen, das heißt den rechten Durchgang der Porta Carmentalis auf der Stadtseite ausgezogen.
Da ich Coarellis Identifizierung seines "doppio giano" der 'Area sacra di S. Omobono' als kaiserzeitliche Porta Triumphalis ablehne, folge ich ebensowenig seinem Vorschlag, daß es sich bei der von ihm postulierten Straße, die unter diesem "doppio giano" in W-O Richtung verlaufen sei, um jene nur bei Triumphzügen begangene Straße gehandelt habe.
Unsere Karte zeigt auf der Innenseite der Porta Carmentalis einen kleinen Platz, von dem aus der Tempel der Carmenta und die 'Area sacra di S. Omobono' zugänglich waren. Er läßt sich vielleicht mit den oben erwähnten Tabus und den profanen Verkehrswegen durch das Stadttor erklären. Denn es wäre ja denkbar, daß die mit den verschiedenen Funktionen der Porta Carmentalis verbundenen Auflagen erfüllt wurden, indem so viel Platz bereit gestellt wurde, wie nötig war, die Wege durch das Stadttor in der vorgeschriebenen Weise aneinander vorbei zu führen. Wenn mein Vorschlag korrekt ist, daß das Eingangstor zum Plateau des Capitoliums ebenfalls mehrere Durchgänge besaß, ist sogar vorstellbar, daß es hier parallele Wege gab.
Die Frage, ob der erwähnte Treppenlauf, der vom Capitolium herab, zur Porta Carmentalis geführt haben soll, und das Gebäude "M"-"L"-"K" meiner Abbildung 2 sich gegenseitig ausschließen - wie ich vermute - oder nicht, wird sich wohl erst klären lassen, wenn die Ausgrabung von Le Pera und Sasso D'Elia publiziert ist. Ich schlage derweil in meiner Rekonstruktion vor (s. Abb. 5), daß sich die Treppenanlage der Fragmente FUM Nr. 31a-c ausschließlich auf der Innenseite der Stadtmauer befand, und nur nach N, zur "PORTA CATULARIA?", geführt hat.
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