Konstantin, Hadrian, Koloss, Rom, Kapitel 5



Konstantin, Hadrian, Koloss, ROMA, Rom, Rome, Karte, Photos

5.) Claudio Parisi Presicce kommentiert die Tatsache, dass zwei Löcher in der Handfläche der rechten Hand des Konstantinkolosses (hier Figs. 11; 11.1; 156) erkennen lassen, dass diese Hand im originalen Zustand der Statue einen anderen Gegenstand ergriffen hatte als in ihrem zweiten Zustand.

Vergleiche Parisi Presicce (2006b, 151 mit Anm. 44 [s.o., in Band 3-1, 753]; ders. 2022, 394-395; und S. 407, mit ILL. 1, in: "46 Right hand and foot of the Colossus of Constantine 312 CE"). Parisi Presicce (2022, 394-395) schreibt:

"Hans Peter L’Orange [mit Anm. 30] offered a different interpretation, maintaining that the reworkings are not attributable to alterations made to a pre-Constantinian portrait, but are the result of a Christian revision of the statue in the years 324–337 CE, which can be deduced from the substantial retouching detectable [Seite 395] on the head and a possible substitution of attributes, namely the addition of the diadem and the symbol of the cross in place of the scepter. This seems at least partly plausible, because, although it is not possible to prove the complete substitution of the limb, the [right] hand belonging to the Colossus [46] has two holes of different shape and size in the palm, probably due to the substitution or duplication of the attribute, with the addition of the cross [Hervorhebung von mir]".

In seiner Anm. 30, schreibt Parisi Presicce: "L’Orange 1982a, p. 163; L’Orange 1984, pp. 70–77".

Vergleiche H.P. L’Orange 1982a, "In hoc signo vinces", Boreas 5 (1982) 160–163.

Mit dem auf S. 395 erwähnten "[46]" ist folgender Katalogtext gemeint: "46 Right hand and foot of the Colossus of Constantine 312 CE ...", in Parisi Presicce (2022, 407-409).


Die rechte Hand des rekonstruierten Konstantinkolosses (Fig. 156) weist eine weitere Besonderheit auf:

Der Zeigefinger der rechten Hand des Konstantinkolosses (hier Fig. 11) war offensichtlich abgebrochen, aber nicht mitgefunden, und deshalb schon in der Renaissance ergänzt worden; vgl. Parisi Presicce (2022, 407, ILL. 1; ILL. 2, mit einem Photo auf S. 409, mit gut sichtbarem Bruch des Zeigefingers und seiner Ergänzung).

Im Zusammenhang der plastischen Rekonstruktion des Kolosses (hier Fig. 156) durch die Firma Factum ist der Zeigefinger der rechten Hand (aber natürlich nur in dieser Rekonstruktion!) neu ergänzt worden, der sich aber nicht, wie die übrigen Finger, eng um den Schaft des Szepters schliesst - was ich zunächst für eine `organischere´ Lösung gehalten hätte. Auch in Parisi Presicces digitaler Rekonstruktion der Statue (hier Fig. 11.1), der man ablesen kann, dass der Zeigefinger der rechten Hand der Statue ergänzt ist, sieht die gefundene Lösung überzeugender aus.

Auf den `zweiten Blick´ scheint mir das Problem aber ganz anders gelagert zu sein. Während Parisi Presicce (2022, 407, mit ILL. 2) schreibt und demonstriert, dass der originale Rest des Zeigefingers der rechten Hand anders als die übrigen Finger (mehr `nach oben´) bewegt ist, zeigt das Photo von Franz Xaver Schütz (hier Fig. 11) außerdem die leichte Abspreizung dieses Zeigefingers vom Mittelfinger. Wenn man beide Informationen gleichzeitig berücksichtigt, wird klar, dass die neue Rekonstruktion der rechten Hand der Statue (hier Fig. 156), von der Adam Lowe (2022, 413, ILL. 5) ein Photo des 3D-Drucks abbildet, korrekt ist: Auf diesem Photo sind die Bewegungen aller Finger der rechten Hand gut erkennbar; vgl. hierzu auch das Photo der rechten Seitenansicht der Rekonstruktion (hier Fig. 156) bei Parisi Presicce (2022, 415).

Und das bedeutet, dass Konstantin in diesem Portrait mit seiner rechten Hand ein Attribut umfasste, dessen Durchmesser im Bereich seines gekrümmten Zeigefingers größer war als im Bereich des gekrümmten Mittel-, Ring- und kleinen Fingers. Diese Tatsachen sind in dieser Rekonstruktion (hier Fig. 156) leider nicht alle berücksichtigt worden, da die Krümmung des Zeigefingers von Konstantins rechter Hand, die ja von jener der übrigen Finger abweicht, nicht mit Hilfe der Form des Szepters adäquat `begründet´ worden ist.

Vergleiche zu diesem Problem auch Adam Lowe von der Firma Factum Foundation for Digital Technology in Preservation (2022, 413, ILL. 5), der in der Bildunterschrift des 3D-Drucks der rechten Hand des Konstantinkolosses (mit dem neu rekonstruierten Zeigefinger) (hier Fig. 156) schreibt:

"ILL. 5 The 3d print of the hand in Factum’s workshop. The position of the index finger was the subject of extensive discussion as the marble of the original is more recent - indicating a restoration or alteration".


Claudio Parisi Presicce (2022, 395), der diesbezüglich Hans Peter L'Orange (1982a; 1984) folgt, behauptet in der oben zitierten Textpassage (wegen des erwähnten Befundes der Handfläche der rechten Hand), dass die Kolossalstatue des Hadrian/Konstantin (hier Figs. 11; 11.1; 156) in ihrem zweiten Zustand, als sie in ein Bildnis Konstantins `verwandelt´ worden war, angeblich (zusätzlich) ein `Kreuz´ mit der rechten Hand gehalten habe. - Diese Hypothese ist mit Sicherheit abzulehnen.

Wie wir gleich sehen werden, ist mit dem von L'Orange (1982a; 1984) erwähnten `Kreuz´, einer Annahme, der jetzt Parisi Presicce (2022, 395) gefolgt ist, das von Konstantin dem Großen persönlich so benannte `heilbringende Zeichen´ gemeint, dessen wirkliche Natur sehr umstritten, aber leider nach wie vor unbekannt ist (s.u.). Über dieses Zeichen werden wir nur in einer einzigen antiken Schriftquelle informiert:

Der christliche Autor Eusebius (Hist. Eccl. 10,4,16 [corr.: 9,9,10-11; s.u.]) hat eine Ehrenstatue für Konstantin den Großen "auf Roms belebtestem Platz" beschrieben, wie Klaus M. Girardet (2020, 90) diese Formulierung des Eusebius übersetzt hat (s.o., in Band 3-1, 776), und die, laut Eusebius, der Senat zu Ehren Konstantins für seinen Sieg über Maxentius an der Milvischen Brücke (312 n. Chr.) errichtet hatte. Eusebius erwähnt, dass Konstantin dieser Ehrenstatue eine Inschrift in lateinischer Sprache hinzugefügt habe, die Eusebius (in griechischer Übersetzung) zitiert. In dieser Inschrift schreibt Konstantin, dass er sich ausbedungen habe, dass die Künstler dieser seiner Portraitstatue in die rechte Hand das `heilbringende Zeichen´ geben sollten, unter dem er in seiner Schlacht an der Milvischen Brücke den Sieg erfochten habe.

Und nur von Parisi Presicce erfahren wir (2006b, 140), der für diese Information Eusebius (Hist. Eccl. 9,9, 10-11) zitiert, dass die Konstantinstatue, die Eusebius beschrieben hat, in der linken Hand einen Globus gehalten habe. Dem bin ich oben (in Band 3-1, 757) gefolgt, leider ohne diese Quelle nachzuprüfen. In Wirklichkeit entspricht Parisi Presicces diesbezügliche Behauptung nicht den Tatsachen: Eusebius (Hist. Eccl. 9,9,10-11) erwähnt mit keinem Wort, dass diese Statue Konstantins in der linken Hand einen Globus hielt. Mein Dank gilt Franz Xaver Schütz, der, als ich mit ihm dieses Thema diskutiert habe, am 26. August 2024 diese Eusebiusstelle überprüft hat (siehe auch unten, zu Punkt 6.)).

Vergleiche für den Text des Eusebius: Kirsopp Lake, Eusebius The Ecclesiastical History with an English Translation by Kirsopp Lake in two volumes (1926); sowie Philipp Haeuser, Eusebius Caesariensis: Des Eusebius Pamphili Bischofs v. Caesarea Teil: Bd. 2., Kirchengeschichte / Aus dem Griechischen übers. v. Haeuser (1932).

Zu meiner grossen Verblüffung musste ich jetzt feststellen, dass es sich bei `Eusebius (Hist. Eccl. 9,9,10-11)´, wie Parisi Presicce (2006b, 140) schreibt, um denselben Text handelt, den Heinz Kähler (1960, 391, Taf. 264) als `Eusebius (Hist. Eccl. 10,4,16)´ zitiert hat. Für Kählers Übersetzung und Kommentare zu diesem Bericht des Eusebius (s.o., in Band 3-1, 730-731). Ich hatte leider auch dieses, von Kähler irrtümlich angegebene, Zitat des Eusebius nicht nachgeprüft, und in meiner Studie mehrfach unkritisch wiederholt, und das, obwohl ich z.B. auch Helga von Heintze (1966, 253) konsultiert hatte, die diese Eusebiusstelle korrekt zitiert hat: "(Hist. Eccl. 9,9,10-11)" (s.o., in Band 3-1, 732). Ich bin deshalb sehr froh, dass ich meinen Fehler jetzt korrigieren kann (!).

Für den Text des Eusebius über diese Konstantinstatue, sowie die Inschrift, die Konstantin persönlich dieser Ehrenstatue hinzugefügt hatte, und die Eusebius wörtlich zitiert hat, s.o., in Band 3-1, 730-732, 734-738, 757, 758, 771-774. 776-778.

Dass es sich bei diesem `heilbringenden Zeichen´, das Konstantin in seiner eigenen, seiner Ehrenstatue hinzugefügten Inschrift erwähnt hat - wie Eusebius schreibt - um das Kreuz gehandelt haben soll, wie Parisi Presicce (2022, 395) jetzt unkritisch wiederholt, ist ein längst überholter Irrtum früherer Gelehrter. In Wirklichkeit hat das Kreuz seine entsprechende Bedeutung nachweislich erst im 5. Jahrhundert erhalten; vergleiche Helga von Heintze (1966, 252-254, s.o., in Band 3-1, 732). Klaus M. Girardet ist z.B. der Überzeugung, dass die Konstantinstatue, von der Eusebius berichtet, "das christianisierte Vexillum, also ein Feldzeichen" in der rechten Hand gehalten habe; vergleiche ders. (2020, 90 mit Anm. 408, S. 93 mit Anm. 423; s.o., in Band 3-1, 776, 778).


Warum ist die oben zitierte Hypothese von Parisi Presicce (2022, 395) abzulehnen ?

Weil die von Eusebius (Hist. Eccl. 9,9,10-11) erwähnte Konstantinstatue mit Sicherheit nicht das hier diskutierte kolossale Portrait Konstantins (hier Figs. 11; 11.1; 156) gewesen ist (wie z.B. C. CECCHELLI 1951; 1954, gefolgt von H. KÄHLER 1952; 1960, geglaubt hatten; s.o., in Band 3-1, 730, 753-754, 757, 758).

Diese Erkenntnis verdanken wir Parisi Presicce (2005, 145 mit Anm. 32, 33; ders. 2006b, 140, 149-152; s.o., in Band 3-1, 753-754, 757), wo er den entsprechenden Sachverhalt korrekt wiedergegeben hat, und wo er selbst zu dem (überzeugenden) Schluss gelangt ist, dass das hier betrachtete Konstantin-Bildnis (hier Figs. 11; 11.1; 156) nicht das des Eusebius war; ich bin ihm darin gefolgt (s.o., in Band 3-1, 757, 774, 776).

Die von Eusebius (Hist. Eccl. 9,9,10-11) beschriebene Konstantin-Statue, die, laut Eusebius, `auf Roms belebtestem Platz´ gestanden hat, kann schon allein deshalb unmöglich die hier betrachtete Portraitstatue Hadrians/Konstantins (hier Figs. 11; 11.1; 156) gewesen sein, weil letztere ein Akrolith ist.

Wie mir Filippo Coarelli bei einem Gespräch in Rom am 24. Februar 2020 erklärt hat, waren Akrolithe aber "costruzioni" (s.o., in Band 3-1, 750). Derartige `Konstruktionen´ konnte man daher aus konservatorischen Gründen natürlich nur in geschlossenen Räumen aufstellen (s.o., in Band 3-1, 750-752).

Parisi Presicce selbst (2005, 145; ders. 2006b, 139-140, Figs. 38-42, S. 154 mit Anm. 48) fügt dieser Diskussion bedeutende Beobachtungen hinzu, die ebenfalls ausschliessen, dass es sich bei dem Koloss des Hadrian/Konstantin (hier Figs. 11; 11.1; 156) um die von Eusebius beschriebene Statue handeln kann.

Parisi Presicce (2005, 145; 2006b, 139-140, Figs. 38-42, S. 154, Anm. 48) hat beobachtet und photographisch dokumentiert, dass und warum der Hadrian/Konstantin-Koloss (hier Fig. 11) nie einen Hinterkopf gehabt hat: Offensichtlich deshalb, wie Parisi Presicce überzeugend darlegt, weil dieser Kopf an der Wand befestigt war, vor der der Koloss aufgestellt wurde. Diese Beobachtung beweist demnach, dass dieser Koloss für einen Innenraum konzipiert wurde. Parisi Presicce hat ferner demonstriert, dass der Koloss vor einer oder mehreren hohen Wänden stand, an denen er an mehreren Stellen verankert gewesen ist, weshalb ein antiker Betrachter den Hinterkopf der Statue gar nicht einsehen konnte (s.o., in Band 3-1, 752, 755-756).

Vergleiche jetzt Parisi Presicce (2022, 414, in: "47 Reconstruction of the Colossus of Constantine 2022 ..."). Darin bildet er eine Ansicht von 3D-Drucken der originalen Fragmente des Hadrian/Konstantinkolosses (hier Fig. 11) in der räumlichen Verteilung ab, wie sie dann in der Rekonstruktion des Kolosses (hier Fig. 156) lokalisiert worden sind, und zwar die linke Seitenansicht der zukünftigen Rekonstruktion. Auf dieser Abbildung sieht man ebenfalls, dass der Kopf des Kolosses keinen Hinterkopf besitzt. Vergleiche die Abbildung auf der gegenüberliegenden Seite, Parisi Presicce (2022, 415, innerhalb seines Katalogtextes 47), die, aus derselben Perspektive, die ausgeführte plastische Rekonstruktion des Kolosses zeigt (vgl. hier Fig. 156): Wir sehen auf dieser Abbildung, dass in dieser Rekonstruktion des Kolosses der Hinterkopf der Statue ergänzt worden ist.

Vergleiche Parisi Presicce (2022, 402, ILL. 12), wo er eine Ansicht von 3D-Drucken der originalen Fragmente des Konstantinkolosses in der en face-Ansicht der zukünftigen Rekonstruktion (hier Fig. 156) wie folgt beschriftet hat: "3D models of the three fragments of the upper limbs, one of the torso, and one of the head, assembled in virtual space [Hervorhebung von mir]".

Adam Lowe von der Firma Factum Foundation for Digital Technology in Preservation (2022, 413) berichtet, wie er und seine Kollegen, während der Rekonstruktion des Konstantinkolosses (hier Fig. 156), für die hier diskutierten Besonderheiten der Statue und ihrer Interpretation, Lösungen gesucht und gefunden haben:


" During the reconstruction [ILL. p. 414], different parts of the Colossus became the focus of attention. The Renaissance additions to the neck were removed, the re-carving to produce the likeness of Constantine was studied, and the lack of obvious connections for the back of the head analyzed. Meanwhile, the lost drapery (originally made in gilded bronze) raised many challenges; the presence or absence of a cross (except for the small graffiti on Constantine’s forehead) remains unresolved and the detail of the staff and sphere are still being informed by a study of coins minted at the time [Hervorhebung von mir]". Vergleiche dazu auch unten, zu Punkt 6.) und 7.).


Das Ergebnis unserer Diskussionen der in diesem Punkt 5.) angesprochenen Themen:

Wie soeben mitgeteilt, haben sich auch Adam Lowe (2022, 413) und seine Kollegen mit dem `Kreuz´ beschäftigt, das (angeblich) die originale Konstantinstatue in der rechten Hand gehalten haben soll. Dieses Team der Firma Factum hat, auf der Basis der originalen Fragmente des kolossalen Hadrian/Konstantinportraits im Konservatorenpalast (hier Fig. 11), sowie der Forschungsergebnisse zu diesem Portrait von Claudio Parisi Presicce (2005-2022), die plastische Rekonstruktion des Konstantinkolosses (hier Fig. 156) geschaffen.

Und zwar haben Adam Lowe und seine Kollegen dieses `Kreuz´ diskutiert, weil Parisi Presicce (2022, 395), wie erwähnt, davon ausgeht, dass der Konstantinkoloss (hier Figs. 11; 11.1; 156) mit der rechten Hand (zusätzlich) ein `Kreuz´ gehalten habe.

Zu dieser Hypothese und den übrigen, hier diskutierten Beobachtungen und Vorschlägen, die Parisi Presicce (2005; 2006b; 2022) zum Konstantinkoloss (hier Figs. 11; 11.1; 156) und bezüglich der von Eusebius (Hist. Eccl. 9,9,10-11) beschriebenen Konstantinstatue unterbreitet, haben wir oben Folgendes festgestellt:


a) Wie wir gesehen haben, erwähnt nur Eusebius (Hist. Eccl. 9,9,10-11) eine Konstantinstatue in Rom, die mit der rechten Hand das `heilbringende Zeichen´ hielt, mit dessen Hilfe Konstantin, nach eigener Aussage, in der Schlacht an der Milvischen Brücke gesiegt hatte: Dabei haben wir gesehen, dass es sich bei Parisi Presicces Feststellung (2022, 395), derzufolge es sich bei diesem `heilbringende Zeichen´ um ein `Kreuz´ gehandelt habe, um eine veraltete Interpretation dieser Textstelle des Eusebius handelt;


b) Des Weiteren haben wir festgestellt, dass die von Eusebius (Hist. Eccl. 9,9,10-11) beschriebene Konstantinstatue mit Sicherheit nicht, wie einige frühere Gelehrte geglaubt hatten, die hier diskutierte Kolossalstatue des Hadrian/Konstantin im Konservatorenpalast (hier Figs. 11; 11.1; 156) gewesen sein kann;


c) Parisi Presicce (2006b, 140) schreibt außerdem, dass dem Text des Eusebius (Hist. Eccl. 9,9, 10-11) zu entnehmen sei, dass die Konstantinstatue, die Eusebius beschrieben hat, in der linken Hand einen Globus gehalten habe. Wie wir oben gesehen haben, entspricht diese Behauptung nicht den Tatsachen.

Die plastische Rekonstruktion dieses Konstantinkolosses (hier Fig. 156), die Parisi Presicce in Auftrag gegeben hat, folgt nun - zu meiner grossen Überraschung - genau der Ikonographie, die Parisi Presicce für jene Konstantinstatue postuliert, die Eusebius (Hist. Eccl. 9,9,10-11) beschrieben hat.

Und zwar ist das offensichtlich als Konsequenz der von Parisi Presicce (2006b, 140; ders. 2022, 395) formulierten Schlussfolgerungen zu sehen (s.o., zu Punkt a) und c)). Hierbei handelt es sich einerseits um Parisi Presicces Erkenntnisse zum Kolossalportrait Hadrians/Konstantins im Konservatorenpalast (hier Fig. 11), und andererseits um seine Erkenntnisse zur Konstantinstatue des Eusebius (Hist. Eccl. 9,9,10-11).

Wie wir oben zu den Punkten a) und c) gesehen haben, ist Parisi Presicces Rekonstruktion der Ikonographie der von Eusebius beschriebenen Konstantinstatue bezüglich dieser beiden sehr wichtigen Einzelheiten aber nicht korrekt:

Weshalb nun die plastische Rekonstruktion des Kolosses (hier Fig. 156) Kaiser Konstantin mit einem Globus auf der linken Hand wiedergibt, obwohl es für dieses Detail der für diese Rekonstruktion gewählten Ikonographie weder eine antike Schriftquelle, noch eine antike Darstellung gibt, auf deren Basis man diese Entscheidung begründen könnte. Vergleiche dazu ferner unten, zu Punkt 6.) und 7.).

Hinzu kommt das noch sehr viel gravierendere, oben zu Punkt b) genannte Argument gegen die Wahl dieser Ikonographie für die Rekonstruktion der Kolossalstatue des Hadrian/Konstantin im Konservatorenpalast (hier Figs. 11; 11.1; 156): Nämlich die Tatsache, dass diese Kolossalstatue keineswegs identisch ist mit der von Eusebius beschriebenen Konstantinstatue.


Gehört der kolossale Konstantinkopf (hier Fig. 47) zu der von Eusebius beschriebenen Konstantinstatue ?

Zum Abschluss schlage ich versuchsweise vor, dass zu der von Eusebius (Hist. Eccl. 9,9,10-11) auf "Roms belebtestem Platz" (Übersetzung: K.M. GIRARDET 2020, 90) beschriebenen Ehrenstatue für Konstantin der kolossale Einsatzkopf Konstantins des Grossen im Museo dei Fori Imperiali (inv. no. FT 10337; hier Fig. 47) gehört haben könnte. Auf dieses Portrait, das erst im Jahre 2005 auf dem Trajansforum ausgegraben worden ist, hat mich freundlicherweise Eric M. Moormann hingewiesen.

Dieses Konstantinbildnis hat u.a. Klaus Fittschen beschrieben (2014, 57-59, cat. no. 50a; s.o., in Band 3-1, 773):

"Der Kopf war in eine separat gearbeitete Statue eingesetzt ... Der waagerechte vordere Halsabschluß könnte auf eine Panzerstatue hinweisen [mit Anm. 20; Hervorhebung von mir]".

Das heißt, Konstantin war in diesem Bildnis (möglicherweise) in einer Ikonographie dargestellt, die, wie wir oben gelernt haben, für christliche Kaiser typisch werden sollte; vergleiche Eugenio La Rocca (2000, 24 mit Anm. 168, Fig. 23; s.o. in Band 3-1, 735).

Fittschens Beobachtung (2014, 57-59), die Tatsache, dass dieser Konstantinkopf (hier Fig. 47) nicht zu einem Akrolith gehört hat, sondern der Einsatzkopf einer Marmorstatue ist, und der Fundort `Trajansforum´ - das Eusebius (Hist. Eccl. 9,9,10-11), meiner Meinung nach, durchaus als `Roms belebtesten Platz´ hätte bezeichnen können - haben mich auf die Idee gebracht, diesen Kopf versuchsweise der von Eusebius beschriebenen Konstantinstatue zuzuweisen (s.o., in Band 3-1, S. 56, 726, 727, 730-731, 732, 734-738, 757-758, 771-778).

Ich danke Hans Rupprecht Goette, der mir nicht nur diesen Text Klaus Fittschens (2014) geschickt hat, sondern der mir freundlicherweise auch seine hier gezeigten Photos eines Gipsabgusses dieses Portraits in der Abgußsammlung der Freien Universität Berlin zur Verfügung gestellt hat (hier Fig. 47).

Autopsie des Portraits (hier Fig. 47) am 10. Mai 2024. Unser Dank gilt Maria Paolo Del Moro vom Museo dei Fori Imperiali in Rom, die freundlicherweise Franz Xaver Schütz und mich zu diesem Bildnis begleitet, und es mit uns diskutiert hat (s.u., im Kapitel: Introductory remarks and acknowledgements).





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