Konstantin, Hadrian, Koloss, Rom, Kapitel 7



Konstantin, Hadrian, Koloss, ROMA, Rom, Rome, Karte, Photos

7.) Claudio Parisi Presicce (2022, 395, 396) schlägt vor, dass der Konstantinkoloss (hier Figs. 11; 11.1; 156) aus Domitians (viertem) Kultbild des Iuppiter Optimus Maximus Capitolinus umgearbeitet worden sei. - Auch diese Hypothese ist mit Sicherheit abzulehnen.

Parisi Presicce (2022, 395) schreibt:

"Zanker, [mit Anm. 32] on the other hand, ruled out the possibility that the head [Konstantins des Grossen, hier Fig. 11] might initially have depicted Maxentius, due to the prominent indentation at the height of the ears documented by his most certain portraits, suggesting instead that the head originally belonged to the statue of a god.

According to this theory, it may be posited that the Colossus reused by Constantine did not show the colossal figure of a former emperor (bearded), but was actually the cult statue of Capitoline Jupiter, who, with his bare knee and attributes of scepter and orb, ideally responded to the requirements of the victor of Maxentius and the emperor open to the new Christian faith. Between 217 and 222 CE, the temple was struck by lightning, which seriously damaged the cult statue [das heißt, des Iuppiter Optimus Maximus Capitolinus, das Domitian in Auftrag gegeben hatte] and destroyed the altar (Passio S. Callisti; Mombritius I, 268). This event may have created the conditions for the reuse of the Colossus of Jupiter in the Constantinian age [Hervorhebung von mir]".

In seiner Anm. 32, schreibt Parisi Presicce: "Fittschen - Zanker 1985, p. 149".

Vergleiche für diesen Text von Paul Zanker auch oben, in Band 3-1, 734.

Parisi Presicce (2022) nennt `Mombritius´ nicht in seiner Bibliographie; das Zitat ist kopiert aus Stefano De Angeli (in: "LTUR III [1996] 152 s.v. IUPPITER OPTIMUS MAXIMUS CAPITOLINUS, AEDES (FASI TARDO- REPUBBLICANE E DI ETÀ IMPERIALE").

Vergleiche Boninus Mombritius (wirklicher Name: Bonino Mombrizio; 1424-1482), Sanctuarium seu Vitae sanctorum I-II (Parisiis: apud Albertum Fontemoing 1910).

Parisi Presicce (2006b, 152; s.o., in Band 3-1, 727) behauptet, dass seit hadrianischer Zeit keine großen Marmorblöcke aus parischem Marmor mehr nach Rom importiert worden seien - ohne einen Nachweis zu zitieren. Um seiner Feststellung (op.cit.) auf den Grund zu gehen, habe ich oben, in Band 3-1, meinem Kapitel über das hier diskutierte Kolossalportrait des Hadrian/ Konstantin einen zweiten Teil hinzugefügt:

A Study on the colossal portrait of Hadrian (now Constantine the Great) in the courtyard of the Palazzo dei Conservatori at Rome (cf. here Fig. 11). With The Contribution by Hans Rupprecht Goette on the reworking of the portrait of Hadrian (now Constantine the Great);

vergleiche S. 779-898: Part II. Ancient Rome's new commercial river port, at La Marmorata. With discussions of the `Porticus Aemilia´ (in reality identifiable as Navalia) and of the Horrea Aemiliana. With The sixth Contribution by Peter Herz : Rom. Strukturen der Versorgung; and with The second Contribution by Franz Xaver Schütz : Wie schwer war der ägyptische Obelisk, der heute auf der Piazza di S. Giovanni in Laterano in Rom steht?;

besonders S. 888-898, den Abschnitt: IV. The Statio Marmorum and the `sculpture industry´ at La Marmorata, its Tiber ships for the transportation of fresh marble blocks and of finished products, Domitian's Tiber ship delivering a block of marble (Figs. 105; 106), Domitian's `pharaonic´ building projects at Rome, and the question, whether the Navalia at La Marmorata had anything to do with all this. With some remarks on the heaviest object, ever transported on the Tiber in antiquity: the Lateran Obelisk (Fig. 101).

Parisi Presicce (2022, 396), wiederholt nun diese Behauptung in abgewandelter Form (auch jetzt ohne Nachweis), und kommt zu dem Schluss, dass es deshalb "very compelling" (`sehr zwingend´) sei, anzunehmen, dass für dieses kolossale Konstantinportrait (hier Figs. 11; 11.1; 156) Domitians (viertes) Kultbild des Iuppiter Optimus Maximus Capitolinus umgearbeitet worden sei:

"The type of stone of all the surviving pieces [des Hadrian/Konstantinkolosses hier Figs. 11; 11.1; 156] is Parian marble. [Mit Anm. 33] Therefore, the fragments of the Colossus repurposed to portray Constantine were originally parts of the same statue. The identification of the marble, on the other hand, again raises the problem of the identity of the original subject, since- as far as we currently know - the Parian marble blocks may have been brought to Rome no later than the Trajanic-Hadrianic period. This makes the theory that the Colossus reused by Constantine was the one erected by Domitian for the temple of Jupiter following the fire of 80 CE very compelling [Hervorhebung von mir]".

In seiner Anmerkung 33, schreibt Parisi Presicce: "Pensabene - Lazzarini - Turi 2002".

Um Parisi Presicces (2022. 395, 396) oben zitierte Argumentation besser verstehen zu können, sei im Folgenden noch einmal daran erinnert, welche einzelnen Erkenntnisschritte Parisi Presicce (2022) zu dieser Auffassung geführt haben.

Ich hoffe, oben zu Punkt 3.) und 4.) gezeigt zu haben, dass Domitians (viertes) Kultbild des Iuppiter Optimus Maximus Capitolinus, im Unterschied zu Parisi Presicces gegenteiliger Behauptung (2022, 389; s.o., zu Punkt 4.)), keineswegs in allen Details der Ikonographie von Vespasians (drittem) Kultbild des Gottes entsprach.

Zumindest entsprach die Ikonographie von Domitians wirklichem (vierten) Kultbild des Gottes mit Sicherheit nicht der Ikonographie, die Parisi Presicce für Vespasians (drittes) Kultbild des Gottes beschreibt:

Von Vespasians (drittem) Jupiterkultbild, das auf Bronzemünzen Vespasians der Jahre 71-79 n. Chr. erscheine, schreibt Parisi Presicce (2022, 389) zutreffend, dass der Gott mit der erhobenen linken Hand sein Szepter ergriff, wobei Parisi Presicce aber (irrtümlich) hinzufügt, dass a) der Gott auf seiner erhobenen rechten Hand einen Globus mit darauf stehender Victoriastatuette hielt, sowie b), dass das analog auch für Domitians (viertes) Kultbild des Jupiter Capitolinus gegolten haben soll.

Wie wir oben, zu Punkt 4.), gesehen haben, zeigen die von Vespasian geprägten Bronzemünzen (vergleiche hier Figs. 157a; 157b; 157f) aber statt dessen, dass sein (drittes) Kultbild des Jupiter Capitolinus mit der rechten, auf dem rechten Oberschenkel liegenden Hand, ein Blitzbündel hielt. Derselben Ikonographie folgte Domitians (viertes) Kultbild des Jupiter Capitolinus (s.o., zu Punkt 3.) und hier Figs. 13; 16; 17; 19; 20; 20.1; sowie oben, zu Punkt 4.) und hier Fig. 83): Auch Domitians Kultbild des Jupiter Capitolinus hielt mit der rechten, auf dem rechten Oberschenkel liegenden Hand, ein Blitzbündel.

Da Parisi Presicce (2022, 395, 396) behauptet, dass das Konstantinbildnis (hier Figs. 11; 11.1; 156) aus Domitians (viertem) Kultbild des Iuppiter Optimus Maximus Capitolinus umgearbeitet worden sei, ist diesem Vorschlag also zunächst einmal entgegenzuhalten, dass das von Domitians Jupiterkultbild (in der rechten Hand) gehaltene Attribut eben nicht ein Globus war - wie von Claudio Parisi Presicce (2022, 389, 395) expressis verbis behauptet - sondern statt dessen ein Blitzbündel (s.o., zu Punkt 2.), zu Punkt 3.) und hier Figs. 13; 16; 17; 19; 20; 20.1; sowie zu Punkt 4.) und hier Fig. 83).

Dieses Blitzbündel hielt Domitians Jupiterkultbild nun aber nicht in der erhobenen linken Hand, wie wir eigentlich erwarten müssten, weil die Kolossalstatue Konstantins in Parisi Presicces Rekonstruktion (hier Fig. 156) den Globus in der erhobenen linken Hand hält - sondern Domitians Jupiterkultbild hatte das Blitzbündel auf seinem Oberschenkel abgelegt.

Im Übrigen stellte bekanntlich Domitians Jupiterkultbild (hier Figs. 13; 16; 17; 19; 20; 20.1) den Gott seitenverkehrt zu dem Jupitertyp dar, nach dem das Portrait des Hadrian/Konstantin (hier Figs. 11; 11.1; 156) geschaffen worden ist: Weshalb Domitians Jupiter Capitolinus sein Attribut Blitzbündel, mit der rechten, auf seinem rechten Oberschenkel ruhenden, Hand hielt (!).

Diese Überlegungen beweisen also, dass, auch aus den soeben genannten Gründen, das hier betrachtete kolossale Konstantinbildnis (hier Figs. 11; 11.1; 156) keineswegs aus Domitians (viertem) Kultbild des Iuppiter Optimus Maximus Capitolinus umgearbeitet worden sein kann - wie von Claudio Parisi Presicce (2022, 395, 396) behauptet.

Zu diesem Ergebnis passt sehr gut, was wir oben, am Anfang unserer Überlegungen, unter Punkt 1.) gesehen haben: Wir verdanken ja Cécile Evers (1991) die Erkenntnis, dass dieses Konstantinportrait (hier Figs. 11; 11.1; 156) nicht etwa aus einem Jupiterkultbild, sondern statt dessen aus einem Bildnis Kaiser Hadrians umgearbeitet worden ist.

Zum Abschluss der Diskussion von Parisi Presicces plastischer Rekonstruktion des Hadrian/ Konstantinkolosses (hier Fig. 156) möchte ich noch eine Beobachtung zu der sehr eindrucksvollen Gewanddarstellung dieser Rekonstruktion hinzufügen.

Wie wir bereits oben zu Punkt 5.) und Punkt 6.) gesehen haben, berichtet Adam Lowe (2022, 413) darüber, wie er und seine Teamkollegen der Firma Factum Foundation for Digital Technology in Preservation die plastische Rekonstruktion des Konstantinkolosses (hier Fig. 156) geschaffen haben:

"During the reconstruction [ILL. p. 414], different parts of the Colossus became the focus of attention ... Meanwhile, the lost drapery (originally made in gilded bronze) raised many challenges ... [Hervorhebung von mir]".

Der reich gefältelte Gewandbausch des rekonstruierten Konstantinkolosses (hier Fig. 156), der, oberhalb des entblößten rechten Knies, vom rechten Oberschenkel herab zwischen beide Beine fällt, erinnert an ein entsprechendes Gewandmotiv zweier Repliken von Domitians (viertem) Kultbild des Jupiter Capitolinus (s.o., zu Punkt 3.)). Weil der dem Kultbild Domitians zu Grunde liegende Jupitertyp nun aber seitenverkehrt zu dem Jupitertyp ist, nach dem der Hadrian/Konstantinkoloss kopiert wurde, hängt bei diesen Skulpturen der entsprechende Gewandbauch natürlich vom linken Oberschenkel Jupiters zwischen dessen beiden Beine herab (vgl. oben, zu Punkt 3.)): Ich meine die Jupiterstatue in der Ermitage (hier Figs. 10; 10.1) und die Marmorstatuette von Domitians Jupiter Capitolinus von der Via Appia Nuova in Rom (hier Fig. 20).





Sie sind in Kapitel 7, weiter zu Kapitel 1 -- Kapitel 2 -- Kapitel 3 -- Kapitel 4 -- Kapitel 5 -- Kapitel 6 -- Kapitel 8 -- Kapitel 9




zurück zur Hauptseite FORTVNA PAPERS 3

Go to main page: https://fortvna-research.org/Digitale_Topographie_der_Stadt_Rom/

 

Datenschutzerklärung | Impressum