Konstantin, Hadrian, Koloss, Rom, Kapitel 8



Konstantin, Hadrian, Koloss, ROMA, Rom, Rome, Karte, Photos

Was bedeutet die Barfüßigkeit des Hadrian/Konstantinkolosses (hier Figs. 11; 11.1; 156) ?

Bei der Diskussion dieses ganzen Themenkomplexes habe ich bislang eine wichtige Besonderheit dieser Hadrian/Konstantinstatue (hier Figs. 11; 11.1; 156) noch gar nicht angesprochen: Die Tatsache, dass dieser Hadrian barfuss dargestellt worden ist. Im Folgenden werden wir uns deshalb der Frage zuwenden, welche Bedeutung diese Ikonographie gehabt haben mag.

Wir haben oben, zu Punkt 2.) gesehen, dass die Kultstatue des Zeus in seinem Tempel in Olympia (hier Fig. 14) Sandalen trug. Da diese Statue zum Vorbild für das zweite, dritte und vierte Kultbild des Iuppiter Optimus Maximus Capitolinus gewählt worden war (s.o., zu Punkt 2.)), ist zu erwarten, dass auch diese drei Jupiterstatuen mit Sandalen bekleidet waren.

Vergleiche zum Folgenden oben, zu Punkt 3.):

Im Fall der Jupiterdarstellung in der Statuettenreplik von Domitians (vierter) Kapitolinischer Trias in Guidonia Montecelio (hier Fig. 13) ist das der Fall. Gleiches trifft auch zu für die anderen, hier betrachteten Repliken von Domitians Kapitolinischer Trias: Für die Statuettenreplik der Kapitolinischen Trias in Trier, für die `Euripides´-Statuette im Louvre (hier Fig. 12), für die Statuettenreplik des Jupiter Capitolinus von der Via Appia Nuova (hier Fig. 20), und für die Bronzestatuette des Jupiter Capitolinus in New York (hier Fig. 20.1). Im Unterschied dazu kann man auf den oben diskutierten antiken Marmorreliefs nicht erkennen, ob Domitians Kultbild des Jupiter Capitolinus Schuhwerk trug oder nicht: Weder auf der Renaissancezeichnung des Extispiciumreliefs (hier Fig. 17; vergleiche Fig. 16), noch auf dem `Pietas Augusti´-Relief Marc Aurels (hier Fig. 19), die beide mit Sicherheit ebenfalls Domitians (vierten) Tempel des Iuppiter Optimus Maximus wiedergeben.

Im Unterschied zu den oben betrachteten Statuettenrepliken von Domitians Kapitolinischer Trias zeigt die kolossale Jupiterstatue in St. Petersburg (hier Fig. 10), die ich oben, in Punkt 3.), gleichfalls als Replik von Domitians (viertem) Kultbild des Jupiter Capitolinus bezeichnet habe, den Gott barfuss (!); so auch Giuseppe Antonio Guattanis Zeichnung (1805; hier Fig. 10.1) der von Vincenzo Pacetti restaurierten Statue.

Leider kenne ich die Jupiterstatue in der Ermitage von St. Petersburg (hier Fig. 10) nicht aus Autopsie. Oskar Waldhauer (1928) hatte sich bezüglich der zahlreichen Ergänzungen dieser Statue erheblich getäuscht: Denn im Gegensatz zu seinem irrtümlichen Urteil (s.u.), sind ja sowohl der Kopf der Statue, als auch ihr kompletter rechter Arm, einschließlich der rechten Hand, ergänzt (s.o., zu Punkt 3.)).

Um meine diesbezügliche Frage beantworten zu können: Ob nämlich womöglich auch die Füsse dieser Jupiterstatue (hier Fig. 10) komplett ergänzt sind, wäre es deshalb angeraten, entsprechende Marmortests vorzunehmen. Falls sich dann herausstellen sollte, dass auch diese Füsse von Vincenzo Pacetti skulptiert wurden, könnten theoretisch die originalen Füsse dieser Jupiterstatue mit Sandalen bekleidet gewesen sein.

Wie gesagt, scheint mir diese Annahme plausibel zu sein, weil:

a) unstrittig ist, dass es sich bei dieser Statue (hier Fig. 10) um eine Kopie des `Jupiter Capitolinus´ handelt (s.o., zu Punkt 3.), Punkt 4.) und Punkt 6.)), und wir überdies wissen, dass das zweite bis vierte Kultbild des Jupiter Capitolinus nach dem Kultbild des Zeus in Olympia kopiert worden war (s.o., zu Punkt 2.)), das Sandalen trug (vergleiche hier Fig. 14); und weil ich -

b) wegen des Fundortes dieser Jupiterstatue (hier Fig. 10) glaube, dass auch sie Domitians (viertes) Kultbild des Jupiter Capitolinus kopiert, dessen Statuettenrepliken, wie wir soeben gesehen haben, alle mit Sandalen bekleidet sind.

Ich wiederhole im Folgenden noch einmal ausführlicher, was Oskar Waldhauer (1928, 4, 5) bezüglich der Ergänzungen der Jupiterstatue in der Ermitage (hier Fig. 10) geschrieben hat (s.o., in Band 3-1, 704):

``Waldhauer (1928, 4) wrote: "Erhaltung: Ergänzt von Pacetti die Nike in der rechten Hand erst in Leningrad hinzugefügt, Meister unbekannt; in der Sammlung Campana hielt die Rechte den Blitz ...

Antik sind: Kopf, Rumpf mit der rechten Schulter, beide Hände, die linke mit dem Gelenk, das linke Bein vom Knie bis zur Ferse, die vorderen Teile beider Füße". Cf. p. 5: "Die erhaltenen Teile bezeugen die Richtigkeit der Ergänzung; jedoch muß in der Rechten, der länglichen Aushöhlung in der Handfläche nach zu urteilen, der Donnerkeil gelegen haben" [Hervorhebung von mir]´´.

Nach dem oben Gesagten kann ich momentan also nicht erklären, warum der Jupiter der Statue in der Ermitage von St. Petersburg (hier Fig. 10) barfuss dargestellt worden ist, weil ich nicht einmal weiß, ob die Füsse dieser Statue tatsächlich antik, oder ergänzt sind. Aber ich hoffe, dass andere Gelehrte, die darüber besser Bescheid wissen als ich, mir mitteilen werden, was sie selbst diesbezüglich herausgefunden haben.


Auch weitere Fragen, die man zu dem hier diskutierten Themenkomplex

stellen kann oder stellen sollte, müssen vorerst offen bleiben

Um dem Leser zu erklären, worauf ich hier anspiele, wiederhole ich im Folgenden eine (gekürzte) Textpassage aus oben, Band 3-1, S. 737-738. - Vergleiche zum selben Thema auch oben, Band 3-1, S. 498-499.

Darin bin ich dem Vorschlag von Franz Xaver Schütz gefolgt, zu fragen, ob es sich bei dem hier betrachteten kolossalen Bildnis des Hadrian (jetzt Konstantin) (hier Figs. 11; 11.1; 156) ursprünglich um das Kultbild des Divus Hadrianus im Hadrianeum gehandelt haben könnte. Zweitens hat mich Franz darauf hingewiesen, dass die Barfüßigkeit der (originalen !) Portraitstatue bedeuten kann, dass der Dargestellte, zum Zeitpunkt, als dieses Portrait geschaffen wurde, nicht nur schon verstorben, sondern auch bereits divinisiert worden war.

Weder Claudio Parisi Presicce (2005; 2006a; 2006b; 2007; 2022), in seinen Publikationen zum kolossalen Portrait des Hadrian/Konstantin (hier Figs. 11; 11.1; 156), noch irgendein anderer Gelehrter, dessen Forschungen zu diesem Thema mir zugänglich gewesen sind, hat meines Wissens bislang die mögliche Bedeutung der Barfüßigkeit dieser Statue thematisiert.

Wenn es richtig ist, dass dieser Koloss (hier Figs. 11; 11.1; 156) a) ursprünglich ein Portrait Hadrians gewesen ist (wovon ich überzeugt bin), und b), dass die Barfüßigkeit anzeigt, dass Hadrian bereits verstorben und divinisiert war, als dieses Bildnis kreiert wurde (was ich für möglich halte), dann muss es sich bei dieser Statue ursprünglich um ein Portrait des Divus Hadrianus gehandelt haben.


Vergleiche oben, in Band 3-1, S. 737-738:


``Was the colossal statue of Hadrian (now Constantine), here Figs. 11; 11.1 [add to this now: Fig. 156] originally the cult-statue of Divus Hadrianus in the Hadrianeum ?


Franz Xaver Schütz suggests to me that the most obvious place, for which the colossal acrolithic portrait of Hadrian (now Constantine), here Figs. 11; 11.1 [add to this now: Fig. 156], could have been created, is, of course, the Hadrianeum (also because in this case it would have stood in the cella of this temple). At first glance I agreed, but this attractive hypothesis is likewise impossible (as I at first thought), and that for the following reasons ...

But, when I had finished writing this volume, I realized a curious fact, when looking again at the digital reconstruction of this colossal statue of Hadrian (now Constantine), here Fig. 11.1. Hadrian has been [Seite 738] represented in this portrait with bare feet, as if he were a dead hero or a god ...


Should we, therefore, conclude that the statue here Figs. 11; 11.1 [add to this now: Fig. 156] was originally a representation of Divus Hadrianus?, or even the cult-statue of Divus Hadrianus in the Hadrianeum?

Given the enormous size of this acrolithic sculpture, it is anyway difficult to imagine a different purpose for it. But also the statue of Tiberius from Cerveteri (here Fig. 15), a replica of the same statue-type of Jupiter ([das heißt, des Jupiter Capitolinus] as here Figs. 10; 13), is represented with bare feet (possibly because also this was a posthumous portrait?) ...

And, provided the statue (here Figs. 11; 11.1 [add to this now: Fig. 156]) was indeed originally the cult-statue of Divus Hadrianus, how could we explain that this colossal portrait, which had originally represented the dead Emperor Hadrian, being after all the cult-statue in the temple of this divinized emperor, could have been re-used to represent the living Emperor Constantine? - I cannot pursue all those questions in this context any more, but hope to have the chance to come back to them in the future.

For the fact that cult-statues were usually represented with bare feet; cf. Rosel Pientka-Hinz ("Die Herstellung von Kultbildern mit kostbarer Kleidung", 2018, 2): "Die Füße aber bleiben für gewöhnlich nackt". - I thank Franz Xaver Schütz for the reference [Hervorhebung von mir]´´.





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